Eigentlich ist die Welt der Familie Hase in Ordnung, allerdings nur auf den ersten Blick. In der Wohnung dreht sich erst alles um übliche kleine Probleme wie Kritik der Französischlehrerin an Lapin, dem eigenwillig anmutenden Sohn mit vorstehenden Zähnen, oder der Klage seines Bruders Bébert, Medizinstudent, über Stress auf der Notaufnahme. Die lebhaften Diskussionen unterbricht eine schönfärberische Ansprache des französischen Ministerpräsidenten, der in einer TV-Ansprache Frankreich über den grünen Klee lobt, wenn er etwa sagt: «Wir haben eine schöne Metro, eine schöne Rakete Ariane, wir haben pünktliche Züge, eine festgefügte Zentralmacht, unsere Kinder sind glücklich in der Schule.» Mit der Drohung Béberts, kaum ertönen diese Worte, den Fernseher «kurz und klein» zu schlagen, bricht sich die französische Lust an Revolte gegen die Staatsmacht erstmals Bahn.
Der Spannungsanstieg in der ersten Szene setzt sich fort mit dem unvermuteten Auftauchen des dritten Bruders, Jeannot. Die Polizei sucht ihn dringend wegen Schmuggels von «Falschpapieren für eine terroristische Organisation» - die, wie Regisseur Dieter Ockenfels erklärt - «sanft gegen den Kapitalismus ankämpft». In Windeseile hatte Mutter Hase Jeannot in der Badewanne versteckt, indem sie ihn mit einem Kleiderberg überhäufte, gerade noch rechtzeitig, bevor die Polizeibeamten an der Tür klingelten.
Mit der monologartig vorgebrachten Aufklärung über seine Herkunft fügt Lapin dem erdverhafteten Familienkosmos unerwartet einen frappierende, «absurde Note», so Ockenfels, hinzu: Er gesteht, er sei mit einem Raumschiff angekommen, und «die Äther» hätten sein «schon befruchtetes Ei in die Gebärmutter seiner Mutter eingeführt». Auch verfüge er über übernatürliche Kräfte, sehe alles, kenne «ein Heilmittel für jede Krankheit, jedes Unglück.» Kurz darauf entpuppt in der 3. Szene der Dialog zwischen Jeannot und Bébert auch noch, dass beide unter einer Decke stecken, Bébert Jeannots kriminelle Aktivitäten deckte, indem er dessen Koffer «seinen Leuten» übergeben und die «Bullen auf eine falsche Fährte» gelockt habe.
Zur kinderreichen Familie Hase zählen indes auch die Töchter Lucie und Marie; slapstickartig spielen sich weitere amüsante und gleichzeitig einen tiefgründigeren Sinn in sich bergende Episoden ab. Lucie ist mit dem Schwiegersohn der Hases, Gérard, von dem sie eigentlich getrennt lebt, in einer Hassliebe verstrickt. Marie schlägt sich derweil mit der Einrichtung eines selbstgehobelten Regals für ihre wenigen Bücher herum. Dann gibt es die Nachbarin, Frau Duperri, stets auf der Suche nach Kontaktmöglichkeiten mit Familie Hase, getrieben von der Flucht vor dem Finanzamt. «Es sind zeitlose Themen, Frankreich immer wieder umtreibend, die das Stück ins Zentrum rückt», lässt Ockenfels durchblicken und meint damit den kollektiv zyklisch ausbrechenden Antrieb, sich aufzulehnen, «heute beispielsweise mit den Aufständen gegen die Rentenreform Macrons.»
Im weiteren Fortgang überschlagen sich die Ereignisse geradezu: Nachdem eine Bombe hochgegangen ist, erwähnt der Sprecher mit «erstarrtem Lächeln» Verwerfungen in der Finanzwelt und einen abrupten Regierungswechsel, das in der ersten TV-Ansprache gezeichnete weichgetönte Bild Frankreichs zerbröseln lassend. Wohin all diese familiären und staatlichen Verwerfungen wohl führen?
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