Fast drei Jahre lang musste man wegen Corona auf die Operette am Stadttheater Sursee – immerhin eine 95-jährige Tradition – verzichten. Der Präsident der Musik- und Theatergesellschaft Sursee, Daniel Gloor, betonte denn auch vor der Premiere gegenüber den Medien, dass das gesamte 150-köpfige Ensemble diesen Augenblick, endlich wieder auftreten zu können, kaum habe erwarten können. Er machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass die lange Zwangspause nicht spurlos an der Surseer Operettenbühne vorbeigegangen ist. Es gab auch und gerade wegen des Umgangs mit der Pandemie einige Turbulenzen, und die Fluktuationsrate lag mit 20 bis 40 Prozent so hoch wie noch nie. So wurde auch die Führung komplett ausgewechselt. Die Produktionsleitung und die musikalische Leitung, die vor der Pandemie Isabelle Ruf-Weber auf sich vereinigte, wurden entflochten. Katrin Gurtner übernahm die Produktionsleitung, Harald Siegel die musikalische Leitung. Und erst im vergangenen September, als die Proben bereits liefen, wechselte man die Regie aus. Für diese zeichnet nun Ursula Lysser verantwortlich.
Im Hinblick auf die Operette «Der Zigeunerbaron», in welcher der Chor eine herausragende Rolle spielt, verstärkte man diesen unter dem ebenfalls neuen Chorleiter Peter Meyer mit professionellen Stimmführenden in allen Registern und integrierte in Zusammenarbeit mit der Musikschule Region Sursee einen Kinderchor. So fand denn am vergangenen Samstag eine dreifache Premiere statt: «Der Zigeunerbaron» wird in Sursee erstmals aufgeführt, es ist die erste Inszenierung unter dem neuen Leitungsteam, und erstmals agiert ein Kinderchor auf der Bühne. Immerhin hatte Corona keine negativen Auswirkungen auf den Ticketverkauf. Die Premiere war restlos ausverkauft, und die Auslastung liegt gemäss Gloor bereits bei über 90 Prozent. Wie üblich präsentierte der Präsident auch einige Zahlen zur aktuellen Operettenproduktion. So gibt es in jeder der inklusive Pause zweieinhalb Stunden dauernden Aufführungen über 100 Lichteinstellungen, für die Spielenden auf der Bühne wurden mehr als 200 Kostüme beschafft, und Theres Hodel war am Samstag zum 1199. Mal an der Garderobe im Einsatz.
«Das ist Ehrenamtlichkeit in extremis», brachte es Gloor auf den Punkt, und noch immer lebt das Ensemble der Musik- und Theatergesellschaft Sursee von diesem ehrenamtlichen Engagement, auch wenn inzwischen fast alle Solistenrollen mit Profis besetzt sind und auch im Orchestergraben mehrheitlich professionelle Musizierende am Werk sind. Die Mitglieder des Orchesters werden vom «Zigeunerbaron» praktisch nonstop gefordert. Der Komponist Johann Strauss (Sohn) bezeichnete seine 1885 uraufgeführte Operette auf der Partitur als «komische Oper», . Das Orchester meistert die Herausforderungen dieser Partitur mit Bravour und kommt mit den verschiedenen Stilrichtungen – Polkas, Walzer und Märsche – bestens zurecht. Für den Chor ist die Operette «Der Zigeunerbaron» laut Siegel «die Königsklasse wie kaum eine andere». Dieser Herkulesaufgabe sind die Chorsängerinnen und -sänger – gemäss Produktionsleiterin Katrin Gurtner zu 90 Prozent Amateure – indessen ausgezeichnet gewachsen. Sie legen sich nicht nur beim Spielen und Singen in zahlreichen Szenen ins Zeug, sondern auch bei den Umbauten der Kulissen. Das unaufdringliche Bühnenbild mit mobilen Elementen erleichtert einerseits diese Umbauten, und andererseits lässt es den Agierenden auch in Massenszenen genügend Platz, um sich zu entfalten.
Um beim Publikum das Verständnis der Handlung zu erleichtern, griff Regisseurin Ursula Lysser zu einem Kunstgriff, indem sie die Solistenrolle des Conte Carnero (Christian Menzi) um jene des Erzählers erweiterte. Womit wir bei den Solisten wären. Auch sie machen in dieser Inszenierung durchs Band eine hervorragende Falle. Etwa ein Drittel von ihnen stand schon früher auf der Surseer Bühne, so etwa Raya Sarontino, die mit gewohnter Bühnenpräsenz die Mirabella gibt, oder Andreas Fitze, der als einziger nicht professioneller Solist den Pali verkörpert. Der Tenor Max Lütgendorff singt sich als Sándor Barinkay ab seinem ersten Auftritt mit dem bekannten Couplet «Als flotter Geist» in die Herzen des Publikums, derweil Martin Weidmann als Schweinezüchter Kálmán Zsupán nicht nur mit seiner sonoren Baritonstimme zu überzeugen, sondern seine Rolle auch mit einer gehörigen Prise Buffo zu würzen vermag. Stimmlich und darstellerisch auf der Höhe zeigen sich weiter die weiblichen Hauptrollenträgerinnen, Valentina Russo als Saffi, Jeanne Pascale Künzli als Czipra und Raphaela Felder als Arsena. Das Solistenensemble komplettieren Niklaus Loosli als Ottokar sowie Wolf H. Latzel und Fabian Egli, welche die Rolle des Grafen Peter Homonay doppelt besetzen.
Zusammengefasst ist dieser «Zigeunerbaron» eine stimmige und mit vielen humorvollen Momenten gespickte Inszenierung, die für einige Stunden die Sorgen des Alltags und die schwierige Weltlage vergessen macht. Dies ist das Verdienst aller 150 Mitwirkenden auf und hinter der Bühne, deren spürbarer Enthusiasmus und riesengrosses Engagement den Erfolg dieser Operettenproduktion erst möglich machen. Einer Produktion, von der das Premierenpublikum sichtlich hingerissen war und die es mit lang anhaltendem Beifall und einer Standing Ovation bedachte. Das Ensemble wiederum revanchierte sich am Schluss mit einer Reprise des Ohrwurms «Als flotter Geist». Ähnlich wie 1885, als nach der Uraufführung des «Zigeunerbarons» auf Verlangen des Publikums viele Nummern wiederholt werden mussten.
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