Wer mit dem Auto auf den Schweizer Autobahnen fährt, erfreut sich in erster Linie ob der grossen Mobilität. Wohl selten werden Gedanken daran verschwendet, was die langen Asphaltwüsten für Wildtiere bedeuten. Nämlich eine krasse Zerschneidung ihres Lebensraumes. Von über 300 Wildtierkorridoren mit überregionaler Bedeutung ist in der Schweiz die Rede, welche erfasst und beschrieben sind (Stand 2018). Davon sind 42 weitgehend unterbrochen. Über die Hälfte der Korridore sind in ihrer Funktionstüchtigkeit nennenswert bis stark beeinträchtigt. Lediglich ein Drittel kann als intakt eingestuft werden.
Neuenkirch im 2020/2021
Bereits 2001 wurde das Ziel gesetzt, 51 überregionale Wildtierkorridore durch wildtierspezifische Bauwerke zu sanieren. Auch in Neuenkirch ist ein solcher Wildtierübergang geplant. Damit Wildtierpopulationen langfristig überlebensfähig sind, benötigen sie eine Mindestanzahl an Individuen und einen genetischen Austausch. In einer zersiedelten und stark genutzten Kulturlandschaft ermöglichen Wildtierkorridore einen solchen genetischen Austausch. Bereits 2017 lag das Neuenkircher Projekt öffentlich auf. Anfang 2018 wurde die Baubewilligung erteilt. Gemäss Esther Widmer vom Astra sind aktuell die Arbeiten am Detailprojekt im Gange. Voraussichtlich werde die Submission der Arbeiten in der zweiten Hälfte 2019 durchgeführt. Die Realisierung der Wildtierüberquerung in Neuenkirch ist für 2020/2021 geplant.
Sicherheit nicht nur für Tiere
Dass es bei den Wildtier-Überbauungen in erster Linie nicht nur um die Sicherheit der Tiere geht, unterstreichen die Worte von Matthias Merki, Lawa Kanton Luzern: «Vor fünf Jahren gab es einen Frontalzusammenstoss mit einem Rotwild-Stier. Zum Glück ohne grosse Personenverletzungen, aber mit einem Totalschaden am Fahrzeug.» Auch gebe es im betreffenden Wildtierkorridor regelmässiges Fallwild (durch Verkehrsunfälle) mit Rehen auf der Autobahn. 2007 beispielsweise geriet auf diesem Abschnitt ein Wildschwein auf die Autobahn, was zur Folge hatte, dass diese grossräumig gesperrt werden musste. Dies bestätigt auch der lokale Jagdleiter Fabian Bieri: «Im Bereich Neuenkirch gibt es immer wieder Unfälle mit Wildtieren in der näheren oder auch weiteren Umgebung des geplanten Wildtierkorridors.» Dabei wäre aber nur die Rede von den grösseren Wildtieren. Kleinsäuger würden dabei nicht mal erwähnt.
Genetische Variabilität
Wildtiere müssen in ihrem Lebensraum verschiedene Bedürfnisse bezüglich Nahrung, Fortpflanzung, Sozialkontakt und Ruhe befriedigen können und nutzen dementsprechend verschiedenartige Teile ihres Lebensraumes. Die Ansprüche an den Lebensraum variieren beträchtlich zwischen verschiedenen Tierarten und ebenso die zurückgelegten Distanzen, die mehrere Meter bis Dutzende von Kilometern betragen können. Um die genetische Variabilität zu erhalten und das langfristige Überleben von Populationen zu sichern, braucht es einen Austausch von Individuen zwischen Teilpopulationen.
Warum Übergang in Neuenkirch?
Mit dem Chüserainer- und dem Adelwilerwald, welche beide an der A2 positioniert sind, verfügt die Region über optimale Voraussetzungen für die Errichtung eines Wildtierüberganges. Die Tiere benötigen Deckung und Schutz, damit sie einen Übergang überhaupt begehen. Eine Detailbefragung der Jägerschaft zeigte aus-serdem die Wichtigkeit und auch heute noch günstige Lage für einen bedeutenden Wildwechsel. Es darf also darauf gehofft werden, dass ab ca. 2021 in Neuenkirch Rotwild, Wildschweine und auch kleinere Säuger die Passage nützen.
Lernen Wildtiere selbstständig?
Wie realisieren denn die Wildtiere nun, dass sich ihr Lebensraum mit den neuen Übergängen vergrössert? Fabian Bieri hierzu: «Viele Wildtierarten wollen wandern. Dies ist ein Bestandteil ihrer Genetik.» Er erwähnt ausserdem, dass bereits viele gelungene Wildtierübergänge existierten. Einer davon befindet sich bei Riemberg (Kanton Solothurn) und führt über die A5 zwischen Biel und Solothurn. Er wurde 2001 gleichzeitig mit dem Autobahnabschnitt für rund fünf Millionen Schweizer Franken gebaut und ist seither für Hirsche, Wildschweine, Rehe und Dachse eine wichtige Verbindung zwischen dem Jura und den grossflächig zusammenhängenden Wäldern rund um den Leuzingerwald im Mittelland. Es handelt sich auch hier um einen Wildtierkorridor von überregionaler Bedeutung. Dass der Übergang von den Tieren akzeptiert und benutzt werde, hätten Nachtsichtaufnahmen in den Jahren nach dem Bau gezeigt, ist von Mark Struch, Wildtierbiologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Amt für Wald, Jagd und Fischerei des Kantons Solothurn, zu vernehmen. Wichtig für die Akzeptanz der Übergänge seien eine ausreichende Breite, die beim Beispiel Solothurn rund 60 Meter beträgt, und ein durch Hecken in Richtung Fahrbahn sichergestellter Schutz. Dieses erfreuliche Resumée stimmt definitiv hoffnungsvoll auf die Realisierung des Neuenkircher Projekts 2020/2021 ein.
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