Ebbe Nielsen, das «Toteninseli» ist vielen Surseern ein Begriff, weil man dort im Sommer respektive bei tiefem Wasserstand stehen kann. Was hat es damit auch sich?
Eine gute Frage (lacht). Beim «Toteninseli» haben wir bislang keine umfassenden Tauchprospektionen vorgenommen. Ganz im Gegensatz zum Gamma-Inseli, wo wir dank Tauchprospektion und Bohrungen drei spätbronzezeitliche Kulturschichten entdeckt haben. Hinzu kommt eine Phase aus der Jungsteinzeit, die durch Funde nachgewiesen ist. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war das «Toteninseli» zur Bronzezeit trocken und nahm eine Brückenfunktion zwischen Gamma-Inseli und der Halbinsel Mariazell ein. Es ist aber kaum vorstellbar, dass beim «Toteninseli» nicht ebenfalls Pfahlbauten zu finden sind.
2004 und 2015 fanden Tauchprospektionen beim Gamma-Inseli statt. Die Kantonsarchäologen stiessen auf Überreste von Pfahlbauten. (Foto zVg)
Wissen Sie, woher der Name «Toteninseli» stammt?
Nein, er beruht aber nicht auf archäologischen Erkenntnissen. Vielleicht hat dort jemand Knochen gefunden, als die Insel mit der Seeabsenkung 1806 zum Vorschein kam.
Zahlreiche Aufnahmen zwischen 1940 und 1950 zeigen das «Toteninseli» gänzlich frei von Wasser. Wie stark schwankte der Wasserstand des Sempachersees in der Vergangenheit?
Der Pegel des Sempachersees schwankte in den vergangenen Jahrtausenden stark und zwar teilweise um etliche Meter. 1806 wurde der See um knapp zwei Meter abgesenkt. In trockenen Jahren kam das «Toteninseli» deshalb oft zum Vorschein, was auch alte Kartenausschnitte der Region belegen.
Welche archäologische Bedeutung hat das «Toteninseli»?
2013 hat die Unesco die Pfahlbauten beim Surseer Zellmoos und beim Gamma-Inseli zum Weltkulturerbe erklärt. Dieses Ensemble mit vielen Siedlungsphasen zwischen 4000 und 800 v. Chr. war über die Jahrtausende eine Grossanlage mit Häusern und Höfen und ist einer der wichtigsten Fundorte aus der Bronzezeit in der Schweiz. Der Fund eines Zinnbarrens im Jahr 2004 ist zudem einmalig im europäischen Raum und verdeutlicht die Bedeutung der Siedlung. In diesem Kontext wären auch potenzielle Funde beim «Toteninseli» einzuordnen.
In welchem Zustand sind die Überreste der Pfahlbauten auf der Halbinsel sowie beim Gamma-Inseli?
Die oberste Schicht auf der Halbinsel trocknet aus, da sie ausserhalb des Grundwassers liegt. Dadurch verschwinden zwar allmählich die Hölzer, archäologische Befunde wie zum Beispiel Hausböden und Öfen aus Stein und Ton bleiben aber trotzdem erhalten und lesbar. Je tiefer man gräbt, umso mehr Holz findet man und umso besser dessen Zustand. Die Fundschichten beim Gamma-Inseli sind in einem guten Zustand, auch wenn gewisse Bereich inzwischen abgerutscht sind.
In trockenen Jahren und bei niedrigem Wasserstand war das «Toteninseli» früher gut auszumachen. (Foto Stadtarchiv Sursee/Bestand Korporation Sursee)
Was stellt die grösste Gefahr für die Überreste der Pfahlbauten dar?
Trockenheit und Erosion. Auf der Halbinsel trocknet die oberste Schicht zunehmend aus, während sich das freiliegende Holz im Wasser über die Jahre auflöst.
Wie gut dokumentiert sind die Pfahlbauten im und am Sempachersee?
Die systematische Dokumentation ist unzureichend und wäre ein grosses Bedürfnis. Weitere Prospektionen und Bohrungen sind notwendig, um wichtige archäologische und historische Quellen und Funde zu schützen. Dazu fehlen der Kantonsarchäologie jedoch seit Jahren die Mittel.
Was erhoffen Sie sich von weiteren Prospektionen am Triechter?
Der Archäologie geht es unter anderem um den Schutz historischer Überreste. Liegen diese geschützt im Boden, ist dies das Beste, was passieren kann. Weitere Tauchgänge könnten offenlegen, welche Überreste bedroht sind. Diese müsste man eigentlich ausgraben oder Schutzmassnahmen ergreifen. Systematische Bestandsaufnahmen, wie man sie am Bieler-, Zuger- oder Zürichsee seit Jahren macht, sind dazu aber unerlässlich.
Ebbe Nielsen (64) ist Titularprofessor für prähistorische Archäologie an der Universität Bern und noch bis Ende 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kantonsarchäologie des Kantons Luzern. Nielsen hat die Unterwasserprospektionen beim Surseer Triechter 2004 und 2015 begleitet und befasst sich schwergewichtig mit Ur- und Frühgeschichte.
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