Ist Ihnen das Kinderbuch «Frederick» ein Begriff? Die Geschichte über einen kleinen Mäuserich, der im Sommer Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammelt, um seine Familie im Winter, wenn die Vorräte ausgehen, damit zu versorgen? Bei mir verhält es sich ähnlich: Ich brauche eine gewisse Anzahl Sonnenstunden auf meiner Haut und eine gewisse Anzahl Tage mit Freunden in der Badi, um im Winter von diesen Erinnerungen zu zehren und die kalte Jahreszeit schadlos zu überstehen. Und was böte sich da besser an, als das Hobby zum Beruf zu machen und als Badmeister zu arbeiten?
So führt der Weg in die Seebadi Schenkon. Badibetreiber Marc Haller empfängt mich, über beide Ohren grinsend – aber wie soll er auch anders, einen Arbeitsplatz mit Bananenbäumen, Palmen, perfekter Seesicht und Bar sein Eigen nennend. Unter der Flagge der «Braustation» führt der 28-Jährige seit dieser Saison die Seebadi.
Sein Arbeitstag beginnt um 8.30 Uhr: das Metalltor aufschliessen, die Rollläden der Bar hochfahren, den Hochdruckreiniger aufs Pedalo packen, damit zu Floss und Trampolin trampen, weil Enten gerne auf den Liegeflächen nächtigen und dabei nicht selten ihr Geschäft verrichten. Zurück an Land putzt er die Tische und die WC-Anlagen, giesst Pflanzen, reinigt den Platz mit dem Laubbläser, füllt die Glacebox und den Kühlschrank auf, nimmt Lieferungen entgegen, ehe punkt 10 Uhr die Badi ihre Tore für die Gäste öffnet.
Wer sich Badmeister nennen will, braucht die Poolbrevets Basis und Plus sowie in diesem Fall das Modul See. Ein einwandfreier Leumund ist zwingend, ein handwerkliches Flair hilfreich. «Wer als Badmeister arbeiten möchte, muss sich bewusst sein, dass er sich auf lange Arbeitstage, auch am Wochenende, einlässt. Viele Reinigungsarbeiten gehören naturgemäss dazu», erklärt Marc Haller. Und auch wenn er über den wohl schönsten Arbeitsplatz in der Region verfügt, haben er und sein Team nur selten Zeit, die Aussicht zu geniessen. Während andere ihren Feierabend bei einem Apérol Spritz oder einem Badi Burger begehen, steht Marc Haller bis weit in den Abend hinter der Bar und tippt Getränke und Menüs im Akkord in die Kasse. Das Trinkgeld wandert in die Spardose in der Form eines Einhorns.
«Es gefällt mir sehr, wie freundlich und familiär es hier am Sempachersee zu- und hergeht», sagt der Krienser, der Sursee bisher nur als Ort seiner Berufsschule auf dem Weg zum Gärtner kannte. Nach der Handelsschule arbeitete Marc Haller in Luzern, ehe es ihn für fast zwei Jahre nach Berlin ins Sportmarketing zog. Als er 2019 zurückkam, suchte er eine neue Anstellung, und da Badmeister in der Rubrik Sommerjobs zuoberst stand, fing er im Luzerner «Tribschen» an. Zwei Jahre später ging er in die Seebadi Weggis, wo auch ein Hallenbad angeschlossen war.
Badmeister zu sein, wirkt auf den ersten Blick entspannt: ruhig an der Sonne stehen und den Menschen dabei zusehen, wie sie sich im Wasser erquicken. Die Aufsicht erfordert aber höchste Konzentration. Besonders achtet Marc Haller auf Kinder und Schwimmer, die alleine und ohne Boje unterwegs sind, wenn sein geschultes Auge akkurat über die Seeoberfläche gleitet. In Schenkon macht die Aufsicht übrigens nur einen kleinen Teil seiner Arbeit aus, da die Badi keine permanente Strandwache hat. Und von einem Badeunfall mit schlimmem Ausgang blieb er als Badmeister bis dato verschont.
Dass das Badmeister-Dasein kein reiner Schoggijob auf der Sonnenseite des Lebens ist, dürfte inzwischen klar sein. Und doch möchte Marc Haller nicht tauschen. Zu sehr schätzt er die Gespräche mit seinen Gästen, den kurzen Schwatz beim Abräumen der Tische, die Momente des Glücks, wenn er doch die Zeit findet, den Sonnenuntergang über dem Sempachersee zu beäugen. Seine Gastgeberqualitäten kommen auch nicht von ungefähr: In Barcelona absolvierte er die «European Bartender School» und bewies 2020 auf der Lenzerheide als Barkeeper einen Winter lang, dass sein Interesse an Menschen nicht nur auf die Sommermonate beschränkt ist.
Einen Traum hat der Mann mit der traumhaften Aussicht am Arbeitsplatz auch. Er könnte sich vorstellen, irgendwann einen eigenen kleinen Betrieb zu fĂĽhren, das Managen und das Bedienen reizen ihn dabei gleichermassen. Doch bis es so weit ist, will Marc Haller in Schenkon Erfahrungen sammeln. Und die Besucher der Seebadi dĂĽrften darauf hoffen, dass sie der sympathische Badibetreiber noch möglichst lange an diesem schönen Flecken Erde am Sempachersee begrĂĽsst. Â
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