Sommerserie: «Summer of 69» und 50 Jahre später

Sommer 1969 …

… Ich sitze als Fünftklässler in der mittleren Reihe eines mittelgrossen Schulzimmers in der kleinen Bauerngemeinde Winikon. In der Reihe rechts sitzen die Viertklässler, in der Reihe links die Sechstklässler. Gut 30 Buben und Mädchen in einem Zimmer, alle von Lehrer Rapin betreut. Die Sommerferien stehen unmittelbar bevor. Wir sitzen zappelig in den Bänken und fiebern aufgeregt dem Zeugnis entgegen, das der Lehrer zu verteilen sich anschickt. Sechs Wochen Sommerferien. Mit Hurra und Trallala strömen wir aus dem Zimmer. Den Schulranzen am Rücken, mache ich mit meinen besten Freunden noch einen Abstecher ins nahegelegene Tobel, in unseren Freizeitpark, wo wir das ganze Jahr über Räuber und Polizist spielen, Hütten bauen, Bäche stauen oder im Weiher Kaulquappen fangen, bevor sie zu Fröschen werden. In der weiten (westlichen) Welt geschieht gerade Bahnbrechendes. Die Amerikaner landen auf dem Mond, am Woodstock-Festival erreichen Flower Power und Hippiebewegung ihren Höhepunkt. Als Zwölfjähriger nehme ich von beiden Ereignissen nur am Rande Notiz. Jimi Hendrix, Janis Joplin und The Who ziehen mich erst Jahre später in Bann. Brian Adams mit seinem 1984 auf die Bühne gebrachten Song «Summer of 69» sogar erst viel später. Ich verbringe den Grossteil meiner Sommerferien auf dem Bauernhof von Hermann Fries, verrichte Stallarbeiten und helfe bei der Mutterkornernte mit. Mutterkorn ist in dieser Zeit für viele Bauern ein lukratives Geschäft: Die Chemie stellte daraus Wehenmittel als Geburtshilfe für schwangere Frauen (daher der Name) sowie Medikamente zum Blutstillen und gegen Migräne her. Mitte August gehen die Schulferien zu Ende, für die Mithilfe als kleiner Knecht gibt es am Ende einen «Kilbibatzen» von stattlichen 30 Franken. Diesmal sogar einen Exrafranken oben drauf für das Ausmisten des Hühnerstalls. Mehr als verdient, denke ich, während ich mich in den Haaren kratze und versuche, die beissenden Läuse wieder loszuwerden.

Sommer 2019 …

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