Die Stadt Sempach hat in den vergangenen Jahren einen positiven Rechnungsabschluss an den anderen gereiht. Das war nicht immer so. Um strukturellen Defiziten auf längere Sicht vorzubeugen, hatte der heutige Finanzvorsteher Bruno Stofer den Steuersatz zu Beginn seiner Amtszeit anheben können mit dem Segen der Stimmbevölkerung. Die Strategie ging auf. Heute weist die Stadt ein Eigenkapital von rund 10 Millionen Franken aus. Eine gute Ausgangslage also für diejenige Person, die den Posten des zurücktretenden Bruno Stofer beerben soll. Mit der GOS-Präsidentin Ermi Krieger und dem CFO der Lukb, Marcel Hurschler, kommt es am 29. März zu einer Kampfwahl. Unsere Zeitung hat die beiden Kandidierenden zum Gespräch getroffen.
Stadtratswahlen sind Majorz- und somit Kopfwahlen. Warum will die CVP wieder das Amt des Finanzvorstehers besetzen?
Marcel Hurschler: Bruno Stofer hat das Ressort Finanzen erfolgreich geleitet und die finanzielle Situation der Stadt zusammen mit dem Stadtrat wieder ins Lot gebracht. Es ist der Anspruch der CVP, dieses wichtige und zentrale Amt in der Exekutive erneut zu besetzen.
Ermi Krieger: Es gibt sicher viele Wählende, die sich auf eine Stadträtin oder einen Stadtrat einzig aufgrund der Kompetenzen festlegen. Doch mir wurde auch zugetragen, dass Leute explizit wieder jemanden von der CVP in diesem Amt sehen möchten und entsprechend wählen.
Marcel Hurschler, warum ist es ausserdem wichtig, welcher Partei die Finanzvorsteherin oder der Finanzvorsteher angehört?
Marcel Hurschler: Stadtratswahlen sind grundsätzlich Kopfwahlen, das stimmt. Doch sowohl im Meinungsbildungsprozess als auch für die Umsetzung der Beschlüsse sind Parteien sehr wichtig, weil der Stadtrat nicht immer mit der ganzen Bevölkerung ein Problem diskutieren kann.
Ermi Krieger, bevor Sie für den Stadtrat kandidiert haben, waren Sie parteilos. Warum sind Sie nun für die CVP ins Rennen gestiegen?
Für mich ist als GOS-Präsidentin wichtig, dass ich parteipolitisch unabhängig und neutral agieren kann. Im Zuge der Kandidatur war aber der Beitritt zur CVP ein logischer Schritt, weil ich explizit für dieses Ressort von der Findungskommission angefragt wurde und ich mich in den Entscheiden der politischen Mitte in der Vergangenheit immer wieder finden konnte.
Würden Sie im Falle einer Wahl somit das GOS-Präsidium abgeben?
Ermi Krieger: Diese Frage würde uns im Vorstand nach einer erfolgreichen Wahl beschäftigen.
Sempach steht heute finanziell gut da. Kann sich die Wahlsiegerin oder der Wahlsieger somit mit einem guten Gefühl in die Stadtratsarbeit stürzen?
Ermi Krieger: Bruno Stofer hat in der Tat gute Vorarbeit für einen gesunden Finanzhaushalt geleistet und das Eigenkapital sowie das Steuersubstrat kontinuierlich steigern können. Doch die Belastung für den Steuerzahler ist in Sempach sicherlich an der oberen Grenze. Das Ziel muss sein, den Steuersatz zu senken.
Marcel Hurschler: Die Stimmbevölkerung ist in den vergangenen Jahren der finanzpolitischen Strategie des Stadtrats gefolgt, der somit eine gute Arbeit geleistet hat. Mit dem Eigenkapitalpolster hat Sempach eine ideale Ausgangslage, um weitere wichtige Investitionen in Infrastrukturen zu tätigen, etwa in das Alterswohnheim Meierhöfli.
Das Stichwort Steuersatz ist gefallen. Der kommunale Satz soll in diesem Jahr von 2.0 auf 1.9 Einheiten zu liegen kommen, als Ausgleich zur Steuererhöhung des Kantons im Zuge der AFR 18um einen Zehntel. Andere Gemeinden am Sempachersee liegen da schon deutlich tiefer…
Marcel Hurschler: Die Sempacherinnen und Sempacher zeigen immer wieder Bereitschaft, Steuergelder auch für den Erhalt ideeller Werte einzusetzen. Ein Beispiel ist der Abbruch des alten Postgebäudes, der die Sicht auf die Stadtmauern freigibt. Sempach bietet viel einzigartige Qualität, weshalb die Erreichung eines Steuerfusses auf der Höhe anderer Seegemeinden keine Zielsetzung sein kann. Trotzdem sollten wir uns dem kantonalen Mittel annähern.
Ermi Krieger: Die Lage am See und die Verkehrsanbindungen sind zum Beispiel solche Vorzüge von Sempach, die man immer in die Gesamtbetrachtung miteinbeziehen muss. Es gilt aber auch Sorge zu tragen, dass der Wohnraum für Familien und mittlere Einkommen erschwinglich bleibt.
Marcel Hurschler: Die kontinuierliche Steigerung der Steuerkraft in den letzten Jahren war mit ein Grund, weshalb ich mich schon vor zwei Jahren parteiintern für eine Steuersenkung ausgesprochen hatte, was die finanzielle Belastung jedes einzelnen mildern würde. Die Stimmbevölkerung hat sich wiederholt für ein tiefes Bevölkerungswachstum der Gemeinde ausgesprochen, was höhere Bodenpreise nach sich zieht. Hier muss man aufmerksam sein, damit sich Einheimische den Wohnraum auch weiterhin leisten können.
Was könnte man konkret tun?
Marcel Hurschler: Ich bin überzeugt, dass man sich mit der Nutzung von Wohnbaugenossenschaften auseinandersetzen muss, um vergünstigten Wohnraum anbieten zu können.
Ermi Krieger: Gemeinden haben verschiedene Möglichkeiten, attraktiven Wohnraum zu schaffen, wie etwa das Projekt Spillmatte in Eich zeigt.
Sempach hatte in den vergangenen Jahren in Budgets mehrfach Defizite ausgewiesen, die Rechnungen schlossen dann aber mit satten Überschüssen ab. Ist es richtig, so vorsichtig zu sein?
Ermi Krieger: Es ist nicht immer einfach abzuschätzen, wie eine Rechnung abschliessen wird. In den vergangenen Jahren hat Sempach wiederholt von ausserordentlichen Steuereinnahmen profitiert. Damit kann man aber nicht einfach fix rechnen und mit den unsicheren Variablen muss man ebenfalls vorsichtig umgehen.
Marcel Hurschler: Es ist meiner Ansicht nach richtig, eher defensiv zu agieren. Steuernachträge sind nie genau abschätzbar und Handänderungen genauso wenig. Beim Budgetieren muss man sich auf Erfahrungswerte abstützen. Unvorhersehbare Faktoren wie gerade jetzt das Coronavirus können zudem negative Auswirkungen zeigen.
Mit dem Rechnungslegungsmodell HRM 2, das seit zwei Jahren angewendet wird, sind die Zahlen einer Gemeinde für viele Bürger noch immer nicht einfach zu lesen. Wie soll man eine Rechnung präsentieren, damit sie jeder versteht?
Marcel Hurschler: Es ist die Kunst von Finanzverantwortlichen, eine anschauliche und einfache Geschichte zu erzählen: Wie sieht die Ausgangslage aus, wohin soll der Weg gehen und mit welchen Mitteln gelangt man dorthin. Ich bin mich gewohnt, Abschlüsse einfach und kundennah zu verkaufen.
Ermi Krieger: HRM 2 stellt eine Annäherung der Rechnungslegung aus der Privatwirtschaft dar. Somit kann man dieses Rechnungsmodell so erklären, dass es viele verstehen. Finanzpolitik ist auch immer eine Frage einer guten Kommunikation.
Wo würden Sie die finanzpolitischen Schwerpunkte von Sempach setzen?
Marcel Hurschler: Wir sollten weiterhin ein gutes Eigenkapital als Sicherheitspolster haben. Der Steuerfuss sollte stetig sein und nicht zu stark schwanken. Der Steuerfuss sollte sich dem kantonalen Mittelsatz annähern, wobei jedoch gerade das jetzige globale Umfeld, welches die Existenz zahlreicher Menschen bedroht, den Zeitpunkt weiter hinausschieben könnte.
Ermi Krieger: Es gilt, eine realistische und ausgewogene Weiterentwicklung aller Ressorts und Anspruchsgruppen Sempachs zu erzielen, die ohne weitere Belastung der Steuerzahler finanzierbar ist. Weiter braucht es Kontinuität und Nachhaltigkeit, um das Vertrauen und die Sicherheit zu festigen. Das moderate Wachstum der Bevölkerung soll unterstützt und wirtschaftliches Wachstum gefördert werden.
Wie schätzen Sie Ihre Wahlchanchen ein?
Ermi Krieger: Ich spüre viel Rückhalt und Zuspruch, nicht nur von Seiten des GOS. Wenn ich keine Chance auf einen Sieg sähe, hätte ich mich nicht zur Verfügung gestellt. Doch es ist alles offen, beide Kandidierenden haben Stimmbürger, die sie ansprechen.
Marcel Hurschler: Mir wird immer wieder attestiert, dass ich lösungsorientiert und gut vernetzt sei und auch Erfahrungen aus politischem und finanziellem Umfeld mitbringe. Auch habe ich die notwendige Zeit, um das Amt des Finanzvorstehers ausüben zu können.
Warum hat Sempach eigentlich keine Mühe, genügend Kandidierende für ein Stadtratsamt zu finden? Bei anderen Gemeinden läuft das nicht so reibungslos…
Ermi Krieger: Ein wesentlicher Faktor war sicherlich die gute Arbeit der Findungskommission der CVP, die viele Gespräche geführt hat, was letztlich in die Doppelkandidatur mündete.
Marcel Hurschler: Das politische Klima in Sempach ist überdurchschnittlich gut. Das ist bester Nährboden, um Personen zu finden, die gewillt sind, ein politisches Amt auszuüben.
Ermi Krieger
Ermi Krieger ist 50-jährig,verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie besitzt den Eidg. Fachausweis im Finanz- und Rechnungswesen und ist seit 2011 selbstständige Unternehmerin in den Bereichen Treuhand/Finanzen, Steuer, Bewerbungsberatung und Personaladministration. Im Weiteren verfügt sie über 20 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Finanzen/Controlling und Administration. Ermi Krieger präsidiert den Gewerbeverein oberer Sempachersee. Ihre Hobbys sind Natur, Reisen, Lesen, Pralinen, Konzerte.
Marcel Hurschler
Marcel Hurschler ist 53-jährig,verheiratet und Vater von drei Kindern. Beruflich ist er seit über 10 Jahren in der Geschäftsleitung der Lukb, als Leiter des Departements Finanzen und Informatik. Als Präsident der CVP Sempach hat er seinen Rücktritt per 18. Mai angekündigt. Hurschler ist zudem Präsident der Ortsplanungskommission. Im sozialen Umfeld engagiert er sich als Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Schweizerischen Fastenopfers. Zu seinen Hobbys zählt er Politik, Sport und Lesen.
Sie können Ihre Traueranzeige in Ruhe von zu Hause aus gestalten und aufgegeben. Es stehen Ihnen Muster, Hintergründe und Bilder zur Verfügung.
Anzeige online aufgeben