30 Kinder aus der Region haben in den letzten Monaten über 100 kleine Leinwände bemalt. Daraus ist ein grosses Mosaikbild entstanden. Die Farben blau, grün und gelb repräsentieren den Trägerverein Theramisu, der die Kinderphysiotherapie Schenkon unterstützt. Ein paar der Leinwände sind leer geblieben, da die Geschichte des Bildes noch nicht fertig geschrieben ist, so Thomas Schumacher, Leiter der Kinderphysiotherapie. «Es soll die Kinder symbolisieren, die in Zukunft von guten Therapieräumen profitieren werden.» Das Mosaikbild soll demnächst auf «Ricardo» zur Versteigerung angeboten werden. Die Einnahmen kommen Theramisu zu Gute.
Konkret möchte Theramisu in neue Hilfsmittel investieren. Beispielsweise in die Beschaffung eines sogenannten Stehgeräts, das Kinder beim Sitzen unterstützt.
Die Kinderphysiotherapie Schenkon existiert seit über 20 Jahren. Ursprünglich als Aussenstelle des Kinderspitals Luzern, wurde die Therapiestelle privatisiert und von Thomas Schumacher 2006 übernommen. Die ausgerüsteten Räumlichkeiten in der alten Käserei in Schenkon werden vom Trägerverein Theramisu zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt. Denn für Kinderphysiotherapien ist es nach wie vor schwierig, ihre Kosten mit Dienstleistungen aus der Grundversicherung decken zu können. Bereits seit Jahren wird über die Tarife verhandelt. Bisher ist die Aussicht auf Besserung jedoch gering.
Das Engagement von Theramisu zielt darauf ab, die Kinderphysio in der Region Sursee erhalten zu können. Gäbe es die Physio nicht, müssten viele Eltern ihre Kinder nach Aarau oder Luzern fahren. Ebenfalls nicht immer gedeckt sind die Kosten für Hilfsmittel. Viele Eltern kämpfen oft lange mit der Krankenkasse oder der IV um eine Kostenbeteiligung. «Das System ist sehr langsam. Hilfsmittel brauchen oft sehr lange, bis sie bewilligt werden», erklärt Petra Portmann, Vorstandsmitglied von Theramisu.
Eine regelmässige Besucherin der Kinderphysio ist Maria*. Sie ist 15 Jahre alt und wurde mit einer Schizenzephalie mit armbetonter spastisch-dystoner Halbseitenlähmung rechts geboren. Bei einer Schizenzephalie handelt es sich um Spaltbildungen in den Hirnhemisphären. Seit zwölf Jahren begleitet Mutter Angela ihre Tochter in die Physiotherapie Schenkon, wo sie Motorik und Körperkoordination trainieren.
Ein Hilfsmittel, das Maria besonders geholfen hat, ist das Mollii Elektrodress. Dabei handelt es sich um einen schwarzen Ganzkörperanzug mit 58 integrierten Elektroden, welche die wichtigen Muskelgruppen im Körper stimulieren. Bereits nach ein paar wenigen Tagen konnte Maria bereits Dinge tun, die sie bis anhin nicht konnte, erzählt Mutter Angela. Beispielsweise ein Glas Wasser heben, sich die Haare kämmen oder kleine Gegenstände in der Hand halten. «Für viele Menschen bedeutet das vielleicht nichts, aber für Eltern von Kindern, die eine motorische Behinderung haben, ist es ein grosser Schritt und eine Freude mit anzusehen», erzählt sie.
Der einzige Knackpunkt: der Preis des Anzugs. Um die 6000 Franken kostet das Elektrodress. Trotz verbesserter Armmobilität sah Marias Kinderarzt die Notwendigkeit nicht, der IV ein Schreiben zu schicken, indem er eine Mitfinanzierung des Kleids empfiehlt. Für die alleinerziehende Angela ein herber Schlag. Denn ohne Empfehlung des Arztes geht gewöhnlich nichts. Unermüdlich kämpfte sie weiter für die Tochter. Zusammen mit der Physiotherapie versuchten sie einen Film auf die Beine zu stellen, der Marias verbesserte Mobilität unter Beweis stellte. Vergeblich. Auch mit Crowdfunding versuchten sie es. Sämtliche Bemühungen scheiterten. Der letzte Strohhalm war eine Hilfsorganisation, die sich schliesslich auf Angelas Anfrage hin meldete und sich finanziell am Anzug beteiligte.
Im Sommer 2022 startet Maria nun ihre Lehre. Den Anzug trägt die 15-Jährige heute nicht mehr. Das Elektrodress, das einem Taucheranzug gleicht, ist nicht unbedingt das stylishste Kleidungsstück für eine Teenagerin. Mutter Angela schenkte den Anzug der Physiotherapie Schenkon, wo er heute weiteren Kindern helfen kann.
Ebenfalls eine Klientin der Kinderphysio ist die 12-jährige Lea*. Sie erlitt mit vier Jahren einen Hirnschlag, der eine Halbseitenlähmung rechts zur Folge hatte. Seither trainiert sie regelmässig in der Physiotherapie und hat gelernt mit ihrem Handicap umzugehen. Eines ihrer liebsten Hobbies ist Reiten. 2020 hat sie das Reitdiplom bestanden und bestritt diese Saison ihr erstes Dressurturnier. Auch einen Sinn fürs Kreative hat sie, Nähen, Malen und Basteln gehören ebenfalls zu ihrem Steckenpferd. Mit Physiotherapeutin Margot Roelofs macht sie wöchentlich Ganzkörpertraining mit Fokus auf den gelähmten Arm.
Auch Lea war im Verlauf ihrer Erkrankung auf verschiedene Hilfsmittel angewiesen. Ihre Eltern wissen, dass für jedes Hilfsmittel ein langer bürokratischer Weg vor ihnen liegt. «Da wir schon sehr beschäftigt sind mit der Begleitung von Lea, fehlen uns oft die Zeit und die Kraft, die geeigneten Hilfsmittel zu erkämpfen. Alles was nicht Standard ist, wird nicht unterstützt und muss selber bezahlt werden», so Mutter Anita. «Doch es gibt keine Normen bei Kindern mit Handicap. Ein Hilfsmittel kann für das eine Kind genial sein, für ein anderes ist es kein Thema.»
Wie frustrierend dieser Prozess für Eltern sein kann, erfährt Physiotherapeutin Margot Roelofs immer wieder aus erster Hand. Maria und Lea – beides Klienten von Margot – haben beide eine Halbseitenlähmung. Doch Maria wird von der IV unterstützt, da es sich bei ihrer Erkrankung um ein Geburtsgebrechen handelt, und Lea von der Krankenkasse, da diese die Halbseitenlähmung mit vier Jahren durch einen Hirnschlag erlitt.
Der Unterschied dabei ist, dass die IV ihre Betroffenen finanziell stärker unterstützt als die Krankenkasse. Obwohl beide Kinder dieselben Symptome haben. Für die Eltern bedeutet das ein ständiger Kampf um Mitfinanzierung. Die Kinderphysio sowie der Trägerverein Theramisu versuchen wo immer möglich die Eltern zu unterstützen. Die Versteigerung des Mosaikbilds wird den Kindern der Kinderphysio und des Trägervereins Theramisu zugutekommen. Das Bild wird demnächst unter dem Benutzernamen «Theramisu.ch» aufgeschaltet.
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