Ziel und Zweck von Wildtierpassagen sind die Lebensraumvernetzung für wandernde Wildarten sowie die Wiederherstellung des Genaustausches zwischen benachbarten Teilpopulationen. Die aus Gründen der Verkehrssicherheit abgezäunten Autobahnen bilden harte Barrieren und stören die Durchwanderbarkeit der Landschaft für wandernde Tierarten empfindlich. Auch der Genaustausch zwischen Teilpopulationen wird durch die abgezäunten Autobahnen eingeschränkt. Deshalb wird die Lebensraumvernetzung über die Nationalstrassen schweizweit mit rund 50 Bauwerken wiederhergestellt. Rund ein Drittel dieser Bauwerke wurde bereits gebaut. Im Kanton Luzern werden drei dieser Werke stehen, wovon zwei bereits ihre Funktion erfüllen können. In Knutwil wurde 2020 eine Wildtierunterführung und in Neuenkirch 2021 eine Wildtierüberführung eröffnet. Das dritte Werk befindet sich im Bau: Im Januar 2022 haben die Arbeiten in Langnau bei Reiden begonnen.
Es kann Ausnahmesituationen geben, bei denen der Austausch und die Wanderung von Wildtieren möglichst gering gehalten werden sollten. Solch eine Ausnahmesituation könnte sich etwa beim Ausbruch der afrikanischen Schweinepest (ASP) ergeben. Die ASP ist eine hochansteckende und tödliche Krankheit, die nicht nur Wildschweine, sondern auch Bestände von Hausschweinen befallen und grosse wirtschaftliche Schäden verursachen kann. Für die im Kanton Luzern wirtschaftlich bedeutsame Schweinezucht stellt die ASP eine potenziell grosse Bedrohung dar. Während bis Ende letzten Jahres Ausbrüche auf Ost- und Nordosteuropa beschränkt blieben, wurden in diesem Jahr Fälle aus Norditalien bekannt. Das Risiko einer Einschleppung über den Personen- oder Güterverkehr in die Schweiz ist unverändert hoch. Mit Blick auf die ASP-Prävention hat der Kanton Luzern bereits mit der Eröffnung der ersten Wildtierpassage 2020 in Knutwil mit dem Bundesamt für Strassen Astra die Option «Sperrung» vereinbart. Im Bedarfsfall können die kantonalen Behörden die Wildtierpassagen befristet sperren.
Am Mittwoch, 9. Februar, hat die Wildhut der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) zu Übungszwecken die Wildtierüberführung Neuenkirch und die Unterführung Knutwil für Wildtiere ab Grösse Dachs wilddicht, sprich unpassierbar gemacht. Die Flexinetz-Zäune mit leistungsfähigen Weidezaungeräten stellen für die ersten 24 bis 48 Stunden eine wirksame Barriere dar. In der Seuchenlage müssen diese Sofortmassnahmen anschliessend durch Baustellenabsperrgitter als dauerhaftere Einrichtungen ersetzt werden. Auch dies wurde eingeübt.
Wildhüter Daniel Schmid zeigt sich mit dem Testergebnis zufrieden: «Innert weniger Stunden ist eine provisorische Barriere gezogen. In der Folge können – je nach Lage und Bedarf – alle möglichen Einrichtungen vorgesehen werden, von der Abfangeinrichtung bis zur Permanentsperre.» Die Wildhut beurteilt deshalb die Wildtierpassagen während einer Seuchenlage als ideale Orte für ein mögliches Eingreifen. Daniel Schmid präzisiert: «Am Zwangswechsel sind beispielsweise der Einfang von Individuen oder im Bedarfsfall auch der Abschuss von Tieren sehr viel aussichtsreicher als im offenen Gelände. Wildtierpassagen sind insofern nicht Teil des Problems, sondern vielmehr Teil der Lösung.»
Dass die Wildtierüberführung Neuenkirch und die Wildtierunterführung Knutwil Lebensräume vernetzen und einen regen Austausch ermöglichen können, zeigt sich eindrücklich. In den ersten drei Monaten seit Inbetriebnahme konnten mittels Fotofallen-Monitorings bereits Durchgänge von zahlreichen Wildsäugerarten nachgewiesen werden, darunter Hirsch, Wildschwein, Reh, Feldhase, Dachs, Fuchs oder Marder. Das bisherige Monitoring zeigt, dass die zwei Wildtierpassagen für die Wildtiere wichtig sind. Für die Wildtiere sind die bisher zwei Wildtierpassagen entlang der Luzerner A2 für die Vernetzung so wichtig, wie dies für den Menschen die rund 50 Über- und Unterführungen auf dem gleichen Autobahnabschnitt auch sind.
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