«Es ist alarmierend, wenn heute kaum noch jemand eine Marmorata-Forelle entdeckt», konstatiert Roberto Zanetti, Zentralpräsident des Schweizerischen Fischerei-Verbandes SFV, denn: «Ausgerechnet diese Fischart hat seit Jahrtausenden die Gewässer der Südschweiz geprägt.» Leider kommt die Marmorata nur noch im Lago Maggiore und einigen abgelegenen Gewässern des Tessins, im Bergell und im Puschlav vor. Viele Marmoratas sind genetisch nicht mehr rein, sondern mit der Rheinforelle vermischt.
Die lange unangefochtene Position verdankt die Marmorata-Forelle ihren Genen und dem entsprechenden Charakter. Das marmorierte «Kleid» ermöglicht ihr perfekte Tarnung. Lauert sie regungslos auf dem Grund, ist sie kaum zu entdecken. Nähern sich Beutefische ihrem Versteck, schnappt sie blitzschnell zu. Die Jungfische begnügen sich mit Insekten und Flusskrebsen. Sobald ihr markantes Maul gross genug ist, frisst sie alles, was sie kriegen kann. Selbst kleinere Artgenossen sind nicht sicher vor ihr. Dieser Alpharäuber, der bis über einen Meter lang werden kann, thront an der Spitze der Nahrungskette.
Selbst diese anpassungsfähige, wendige, dominante Fischart ist Opfer unserer Zivilisation geworden. David Bittner, Geschäftsführer des SFV, bringt es so auf den Punkt: «Das Unheil für die Marmorata liegt einerseits an der unwissentlich falschen Besatzpraxis früherer Jahrzehnte und anderseits an der unterbrochenen Fischwanderung und weiteren grundsätzlichen Problemen des Gewässerschutzes.» Mit der Besatzpraxis meint Bittner, dass Rheinforellen in die Marmorata-Gewässer besetzt wurden. Die Bedeutung der Fischwanderung steht im Zusammenhang mit dem Charakter der Marmorata. Sie wandert zum Laichen viele Kilometer flussaufwärts. Bittner: «Ist die Fischwanderung durch Hindernisse unterbrochen, wird die Fortpflanzung stark eingeschränkt.»
Zur Rettung der Marmorata-Forelle und der unter Druck stehenden Fischvielfalt im ganzen Land fordert der Schweizerische Fischerei-Verband SFV an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unter anderem konsequenten Schutz der letzten ökologisch intakten Gewässer, Aufwertung der Gewässerlebensräume, Gewährleistung der Fischgängigkeit sowie die Reduktion der Gewässerbelatung durch Landwirtschaft, Industrie und Siedlungen.
Der Fischereiverband des Kantons Tessin engagiert sich zusammen mit dem Schweizerischen Fischerei-Verband SFV für die Rettung und den Erhalt der Marmorata-Forelle im Bereich der Aufzucht und Bewirtschaftung. Zudem wird ein Projekt ähnlich den aktuellen Bemühungen im Rahmen des Projekts ‘Doubs Vivant’ für die Rettung des Roi du Doubs geprüft. Als Vorbild dazu dient das Projekt MarmoGen des Fischereiverbandes Südtirol.
Der Tessin als relativ isolierte Gewässerregion der Schweiz verfügt über eine weitgehend unbekannte, aber spezielle Fischvielfalt. So kommt hier auch noch die Adriatische Forelle vor – ein weiteres Unikum neben der Marmorata und den anderen Forellenarten der Schweiz: Atlantische Forelle, Zebraforelle, Donauforelle. So leben hier auch der Südliche Hecht und die Adriatische Äsche. Insgesamt gibt es über 20 Fischarten, die nur auf der Alpensüdseite der Schweiz vorkommen. Einige davon als klassische Tessiner Fischraritäten, etwa Heringfisch «Agone», Schleimfisch «Cagnetta» oder die Cypriniden «Pigo», «Triotto» und «Alborella».
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