Den Cold Case neu aufgerollt haben der Historiker Kai Michel und der Archäologe Harald Meller, zusammen mit Genetikern, Anthropologen und Medizinern, die auf die Technik des 21. Jahrhunderts zurückgreifen können. In ihrem Buch «Das Rätsel der Schamanin. Eine Reise zu unseren Anfängen», präsentieren sie einerseits die äusserst interessanten archäologischen Hypothesen zu diesem seltenen Fund, andererseits verknüpfen sie die spektakulären wissenschaftlichen Untersuchungen mit einem Überblick zur Begriffsgeschichte des Schamanismus. Was ist genau Schamanismus, woher kommt er und welche Reise hat dieser Begriff schon gemacht? Die Kapitel über die Vereinahmung des Begriffs in der modernen westlichen Welt und die Episoden darüber, wie sich die Pop- und Rockgeschichte mit dem Schamanismus respektive der Suche nach dem heiligen Pilz verband, gehören mitunter zu den stärksten dieses Buches. Sie verordnen die gegenwärtige Hochkonjunktur schamanistischer Angebote in ihrem historischen Zusammenhang.
Kai Michel ist Mitautor hochgelobter Bestseller wie etwa «Das Tagebuch der Menschheit» oder «Das Buch über Eva». In ersterem stellt er die Geschichten der Bibel in den Kontext der Menscheitsgeschichte. Auch in seinem neuesten Buch über die Frau, die 9000 Jahre lang zusammen mit einem Säugling in einem Grab gelegen hat, führt der Historiker seine Leserinnen und Leser zu unseren Ahnen in der Vorgeschichte. Die mutmassliche Schamanin gehörte zu einer 15- bis 25-köpfigen Gruppe, die noch nicht sesshaft war, sondern gejagt und gesammelt hatte. Die Auswertungen des Grabs werden verknüpft mit dem aktuellsten Wissen über diese frühe Phase der menschlichen Entwicklung. Die Frage, wie unsere Ahnen gelebt haben, gehört zu den wichtigsten Spannungsfragen des Buches.
Der Kern des Buches bleibt das Rätsel um die in höchstem Masse seltenen Funde. Der durch die Rettung der Himmelsscheibe von Nebra berühmte Archäologe und Mitautor Harald Meller leitet die Untersuchungen. Da sind die Schneidezähne der Frau, die auffällige Löcher aufweisen. Da ist eine Anomalie des Atlaswirbels, der je nach Kopfhaltung die Sauerstoffzufuhr ins Gehirn beeinträchtigt haben muss. Da sind verschiedenste Tierknochen, die im Grab gefunden wurden, ebenso etliche Schneidegeräte. Und da ist das Skelett eines Säuglings, der auf der Brust der Frau gelegen hat beim Zeitpunkt der Bestattung. War das ihr Kind? War es eine Opfergabe? Die Antworten liefert der archäologische Krimi in Echtzeit mit den wissenschaftlichen Untersuchungen – geschickt verpackt mit dem grossen Kontext unserer Vorgeschichte.
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