Simone Curau-Aepli, wie kam es dazu, dass Sie die Sempacher Auffahrtsprozession dieses Jahr als Festpredigerin mitgestalten?
Es war der Wunsch der Pfarreileitung, dass 2019 eine Frau die Predigt hält an diesem geschichtsträchtigen Anlass. Als Präsidentin des SKF repräsentiere ich den grössten katholischen Verband in der Schweiz, mit rund 130’000 Frauen, die sich auf vielfältige Weise in Kirche und Gesellschaft einbringen, auch in Sempach und den umliegenden Dörfern. Zudem pflege ich eine langjährige Freundschaft mit Bernhard und Andrea Stadler-Koster, die die Pfarrei Sempach seit vielen Jahren leiten.
Werden Sie den Umritt «hoch zu Ross» erleben? Haben Sie Erfahrung im Reiten?
Ja, das werde ich tatsächlich, was ich vor einigen Monaten noch nicht mit Sicherheit gesagt hätte. Es ist schon ein erhabenes Gefühl, sich auf einem so grossen Tier fortzubewegen, daher verstehe ich den Ausdruck «hoch zu Ross» ganz neu. In meinem Leben sass ich erst zweimal auf einem Pferd, bis ich in den letzten Monaten Reitstunden genommen habe und damit Freude und Sicherheit gewann, sodass ich es nun wage.
Das Thema Ihrer Predigt lautet «Wofür gehen wir»: Können Sie in drei, vier Sätzen erläutern, worum es genau geht und was Sie damit meinen?
Junge und alte Menschen gehen auf die Strasse oder pilgern zu Kraftorten, um etwas zu bewirken, seien es persönliche Erkenntnisse, Veränderungen in der Gesellschaft oder in der Kirche oder Heilung an Geist, Körper oder Seele. Ich frage mich selbst und die Mitreitenden und Mitgehenden, für wen oder für was wir an diesem Tag gehen. Welche Anliegen, Hoffnungen und Ängste tragen wir mit?
Wird dabei auch der Frauen-Kirchen-Streik («Gleichberechtigung. Punkt. Amen») vom 14. bis 16. Juni eine Rolle in Ihrer Rede spielen?
Ja, die Forderung nach konkreten Veränderungen in der katholischen Kirche ist mir persönlich und dem SKF ein
grosses Anliegen, für das ich 2016 nach Rom gereist bin und für die ich auch an diesem Tag gehen bzw. reiten werde – Schritt für Schritt.
Denken Sie, dass sich die Rolle der Kirche als Institution in der Gesellschaft über die Jahre verändert hat und wenn ja, inwiefern?
Die katholische Kirche als Institution hat es leider verpasst, das «Aggiornamento» (Verheutigung) von Papst Johannes XXIII. wirklich umzusetzen, das im zweiten Vatikanischen Konzil so hoffnungsvoll begonnen hat. Die strukturelle und inhaltliche Entscheidungsmacht im Vatikan liegt immer noch ausschliesslich bei zölibatär lebenden, vorwiegend älteren Männern. Auch wenn Papst Franziskus eine neue Kultur lebt und den Klerikalismus geisselt, gibt es bis heute kaum konkrete Veränderungen. Dadurch verliert die Kirche bei vielen Gläubigen ihre Relevanz und die Glaubwürdigkeit. Das bedaure ich sehr, da die christliche Botschaft uns auch heute Orientierung sein kann.
Bleiben wir beim Thema Gleichberechtigung, das nicht nur auf kirchlicher Ebene ein brisantes Thema ist. Mir kommt da zum Beispiel auch jene zwischen Schwarz und Weiss in den Sinn.
Ich finde, dass zum einen die Achtung gegenüber anderen Kulturen und Rassen gewachsen ist, sei es wegen der Globalisierung oder durch persönliche Beziehungen. Das ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig und im christlichen Sinne ermutigend. Zum anderen bin ich aber immer wieder schockiert, dass Personen in Regierungsämter gewählt werden, die ihre menschenverachtenden Haltungen offen vertreten. Diese Kräfte sind am Erstarken, was mich sehr beunruhigt.
Auch die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau ist ein Dauerthema …
Bezüglich der Gleichwertigkeit der Geschlechter bzw. aller Menschen haben Frauen ein grosses Stück Entwicklungsarbeit geleistet in den letzten Jahrzehnten. Nun liegt es auch an den Männern, ihre Rollen in der Partnerschaft und Familie, in der Arbeitswelt, in Gesellschaft und Politik neu zu definieren und zu finden. Da harzt es noch. Ich bin aber überzeugt, dass dies ein Schlüssel ist, damit wir auch bei der Lohngleichheit oder der Aufteilung der Care-Arbeit Schritte weiterkommen.
Finden solche Themen auch innerhalb des Frauenbundes Gehör?
Ja klar. Als Mitgliederverband entwickeln wir Gefässe wie den Impuls «make up! Wir machen die Welt schöner», mit dem wir die Frauen in unseren 18 Kantonalverbänden und 600 Ortsvereinen ermutigen und befähigen, sich den gesellschaftlichen Themen zu stellen und zu überlegen, wie sie aktiv werden wollen. Als Interessenverband äussert sich der Verbandsvorstand zudem in der Öffentlichkeit differenziert zu Themen, die Frauen im Speziellen betreffen und beziehen Stellung, wenn es um Menschwürde, Diskriminierung oder um die Bewahrung der Schöpfung geht.
Was bedeutet Glaube für Sie persönlich?
Mein Glaube an das göttliche Wirken in der Welt ist ein wichtiger Teil meines Lebens – meines Seins, meines Denkens, meines Handelns und in meinen Beziehungen. Ich pflege ihn bewusst im Hören, Sehen, Hoffen und Zweifeln. Das Zeugnis von Jesus, von Prophetinnen und Propheten verschiedener Religionen sind für mich Zusagen Gottes, dass ich nicht alles im Griff haben muss, sondern mich von der göttlichen Weisheit vertrauensvoll ziehen lassen kann.
Und was bedeutet Auffahrt für Sie persönlich?
Das ist für mich ein Bild, dass wir Menschen verstehen können, dass die Seele Teil des Göttlichen ist, immer, nicht erst nach dem Tod. Ich mag diese Bilder und Gleichnisse. Sie sind für mich die bedingungslose Zusage, dass wir von Gott angenommen und bei «ihr» aufgehoben sind.
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