«4 von 10 Pflegenden verlassen den Beruf frühzeitig. Ein Drittel von ihnen ist jünger als 35 Jahre alt.» Sätze, die man in den vergangenen Monaten oft in den Medien hörte. Als ehemalige Fachfrau Gesundheit stelle ich diese Zahlen nicht in Frage. Aber nicht nur, weil ich selber zu diesen Aussteigern gehöre, sondern weil ich viele Aussteigerinnen persönlich kenne und auch kaum von einer Diplomierten Pflegefachperson, Pflegeassistent/in, Fachperson Gesundheit oder Betreuung weiss, die nicht bereits mit dem Ausstiegsgedanken gespielt hat.
Beinahe jedes Mal, wenn ich mich mit meinen Freundinnen aus der Pflege treffe, sind die Schattenseiten ihres Jobs Teil des Gesprächs. Einerseits gefällt ihnen der Beruf. Sie arbeiten gerne mit Menschen zusammen und interessieren sich für die Medizin. Doch andererseits sind da diese Arbeitsbedingungen, die sie immer wieder an ihre Grenzen bringen. Über einen Ausstieg haben sie alle schon mal nachgedacht. Und für viele ist klar: Das ist kein Job, den man problemlos bis zur Pension durchhalten kann.
Die Arbeitsbedingungen nehmen den Angestellten die Freude an der Arbeit. Bei mir war es so. Sieben-Tage-Wochen, Spät-Früh-Wechsel und vor allem die Arbeitsbelastung, die im Akutbereich konstant hoch war. Der Zeitdruck liess die Arbeit am Patientenbett oft zur «Fliessbandarbeit» mutieren: Rein ins Zimmer, To-do-Liste abarbeiten, ins nächste Zimmer, dasselbe von vorne. Die Zeit, sich intensiv mit den Menschen zu beschäftigen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, fehlte oft.
Als ich im Langzeitbereich arbeitete, in einem Pflegeheim, hatten wir mehr Zeit für die Bewohner. Doch auch dort wünschte ich mir beinahe täglich, dass ich mich dreiteilen könnte. Es gab einfach zu viel zu tun, für zu wenig Personal.
Rückblickend erhielten die Bewohner im Heim sowie die Patienten im Spital von uns die Pflege, für welche die Zeit reichte. Sie erhielten aber oft nicht die Pflege, die sie eigentlich gebraucht hätten und für die sie auch bezahlen.
Die Gegnerschaft der Pflegeinitiative – darunter SVP und FDP – argumentieren damit, dass bessere Rahmenbedingungen für die Pflege nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes gehören. Der Bund hatte wiederum kein Problem damit, die Arbeits- und Ruhezeitvorschriften des Arbeitsgesetzes für die Pflege über Bord zu werfen, als sie bei Pandemieausbruch darauf angewiesen waren.
Pflegepensen wurden von 100 auf 120 Prozent aufgestockt. Ferien und Freiwünsche wurden gestrichen. Kompensiert werden konnte die geleistete Überzeit nicht.
Zum Dank wurde dann auf den Balkonen geklatscht. Das Wort «systemrelevant» fiel. Für manche Pflegenden sprangen Fruchtsäfte heraus, ein Znüni oder ein Gutschein für die hausinterne Cafeteria. Andere Betriebe waren grosszügiger und schenkten dem Personal 100 oder gar 200 Franken. Das ist zwar nett gemeint, doch was sich Pflegende viel mehr wünschen ist, dass man den Druck von ihren Schultern nimmt. Dass genügend Personal auf den Abteilungen arbeitet. Dass ihre Ruhezeiten beachtet werden. Dass sie genügend Zeit haben, für eine qualitätsvolle und würdige Pflege.
Klatschen kittet den Pflegenotstand nicht. Und nur eine Ausbildungsoffensive zu starten ist, als würde man Luft in einen löchrigen Veloreifen pumpen. Solange die Löcher nicht repariert werden, ist ein Platten nicht aufzuhalten.
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