Das rosa Plakat ist bereits vom Bahnhofareal aus zu sehen. «Hier entsteht Hauszeit mit Herz», steht darauf. Zu Fuss ist das Haus an der Pilatusstrasse 24 in Sursee in fünf Minuten zu erreichen. Betroffene, die im Haus eine Auszeit suchen wollen, sollen möglichst unbeschwert anreisen können, erklärt Petra Tüscher, Mitinitiantin von Hauszeit mit Herz.
Zurzeit sind noch Bauarbeiten im Gange, das Innere des Hauses wird vom Eigentümer komplett renoviert. Falls Hauszeit mit Herz bis 21. Oktober sein Spendenziel erreicht, wird das Haus ihren Vorstellungen entsprechend umgebaut. 40’000 Franken brauchen die Initianden, um das Projekt starten zu können und für ein Jahr zu finanzieren. Zum jetzigen Zeitpunkt konnten sie mittels Crowdfundig etwas mehr als die Hälfte beschaffen.
«Du bekommst ein Kind und solltest die glücklichste Mutter, der glücklichste Vater sein. Weil es ja ein riesiges Geschenk ist, dass du Eltern werden darfst. Oft ist das aber nicht so», erzählt Petra Tüscher, Kleinkinderzieherin, Tagesmuttervermittlerin und selber Mutter zweier Kinder. Ein Kind könne beispielsweise 24 Stunden am Stück schreien, was für die Eltern sehr erschöpfend sei. Zudem könnten Krankheitsbilder wie eine postnatale Depression, die Frauen sowie Männer befallen können, das frischgebackene Elternglück trüben.
«Auch der Druck von aussen ist gross. Du musst die perfekte Mutter, der perfekte Vater sein. Der Haushalt und die Karriere müssen gepflegt werden, und auch um die Beziehung muss man sich kümmern. Und wenn man da Schwäche zeigt, hat man das Gefühl, eine schlechte Mutter, ein schlechter Vater zu sein.»
Das Thema Eltern-Burnout sei nach wie vor ein Tabuthema. Vielen Eltern falle es schwer, Schwäche einzugestehen. Anhaltende Symptome der Erschöpfung, Müdigkeit und Kraftlosigkeit werden von Betroffenen oftmals nicht behandelt, bis sie schliesslich ins Burnout abrutschen.
«Es gibt ein riesiges Feld an Gründen, warum Eltern an den Anschlag kommen können», sagt Heidi Käch-Thalmann, ebenfalls Mitinitiantin von Hauszeit mit Herz. «Wichtig ist, dass es gar nicht erst zu einem Burnout kommt.» Mit dem Angebot Hauszeit mit Herz möchten sie die Eltern vorher abfangen. Die Idee ist, Eltern eine Auszeit von ein paar Tagen bis ein paar Wochen zu bieten. Der Aufenthalt im Haus ist zum Schlafen und Erholen da, es gibt Kurse wie Yoga, Walking oder andere sportliche Aktivitäten, aber auch kreative Kurse wie Töpfern oder Malen. Dazu kommen Gespräche, Coachings mit Fachpersonen.
Gerade finanziell schwächeren Personen möchte man ermöglichen, das Angebot nutzen zu können. Sie möchte man mit einem Fonds unterstützen, damit auch sie sich das Angebot leisten können. Die Tarifklassen werden jeweils anhand des Lohnausweises bestimmt.
Eine Mitfinanzierung durch die Krankenkasse streben die Initianden nicht an. «Eine Kostengutsprache der Krankenkasse kann sich bis zu einem Monat hinziehen. Wir möchten, dass die Betroffenen schnell und unkompliziert ins Hauszeit kommen können.»
Das Konzept für das Hauszeit mit Herz entwickelte Sévérine Bächthold vor vier Jahren. Die Oberkircherin ist von Beruf Traumatherapeutin, Craniosacrale Ostepathin und Yogalehrerin. In Sursee hat sie ihre eigene Praxis. «Ihr lag das Thema Eltern-Burnout bereits seit längerem am Herzen», erzählt Petra Tüscher. Sie sei es gewesen, die das Projekt gestartet habe. Schweizweit wäre das Hauszeit mit Herz in Sursee das erste Angebot dieser Art. Anders als in Deutschland, wo sich dieses Angebot bereits etabliert habe.
«Wenn man Vorarbeit leisten kann, bevor Eltern in ein Burnout reinfallen, haben alle gewonnen», so Heidi Käch-Thalmann, die 14 Jahre als Personalfachfrau gearbeitet hat. Die Betroffenen, die Kinder, die Arbeitgeber und auch die Krankenkassen profitierten davon. «Ein solches Haus könnte extrem viel Schaden verhindern.»
Das Hauszeit mit Herz würde Platz bieten für vier Personen. Das Haus wäre 24 Stunden betreut. Unterstützt wird das Projekt von Freiwilligen. Darunter Psychologen, Kinderbetreuerinnen, Massagetherapeuten und diverse andere Allrounder. Was aber noch fehlt sind die rund 19’000 Franken. Diese wollen die Initianden bis zum 21. Oktober beisammen haben.
«Das Crowdfunding macht uns schon Druck im Moment», so Käch-Thalmann. «Wenn wir das nicht erreichen, ist das Projekt gestorben.» Denn das Angebot müsse im Endeffekt auch rentieren. «Es soll keine Hauruckübung sein, denn sonst leidet die Qualität darunter und das wollen wir nicht.»
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