Bereits zum 13. Mal empfängt Sursee die rotbemützten Aktiven und Altherren des Schweizerischen Studentenvereins (StV) zum Zentralfest. Diese Zahl kann nur Glück bringen, denn fast jedes Mal setzten diese Feste in der Vereinsgeschichte nachhaltige Akzente.
Als sich die StVer im September 1864 zu ihrem 24. Zentralfest erstmals in Sursee einfanden, konnten sie die Kleinstadt mit der acht Jahre zuvor eröffneten Centralbahn erreichen. Damals wohnten rund 1700 Personen vor und hinter den Stadtmauern. Im Gegensatz zu heute führte jedoch ein rund um einen Kilometer messender Fussmarsch weitgehend über Feld und Flur ins Städtli. Die von einem der Gründerväter des StV, Joseph Gmür, empfohlene Zurückhaltung des Vereins in der tagespolitischen Arena wurde von der GV bestätigt. Keine Chance hatte indessen ein Antrag der Vereinsbrüder aus München, die den strikten Fokus des StV-Selbstverständnisses auf die katholische Konfession aufweichen wollten. Dafür erklang deutlich der Ruf nach einer katholischen Universität. 25 Jahre später wurde die Universität Freiburg i. Üe. dann Realität.
Das verregnete 34. Zentralfest 1875, an dem die Triumphbogen nach den Plänen des einheimischen Bildhauers Franz Sales Amlehn besondere Akzente setzten, stand ganz unter dem Eindruck einer gewissen Konfessionalisierung, wie sie zwei Jahre zuvor beschlossen worden war. Die Zeit des Kulturkampfs färbte ab. Den Auftakt zum 45. Zentralfest 1886 bildete die Teilnahme an der Jubiläumsschlachtfeier in Sempach, 500 Jahre nach dem Sieg der Eidgenossenschaft gegen die Habsburger. Zaghaft angedeutet wurde die soziale Frage, die – so der damalige Tenor – nur auf dem Boden der Kirche eine Lösung finden könne. Deutlicher kam zum Ausdruck, welche Bedeutung der Verein für den Katholizismus in der Schweiz habe.
Ein höheres Gewicht erhielten die sozialen Strömungen der Zeit am 59. Zentralfest 1901. «Die jungen Teilnehmer konnten den Aufruf, schon in der Gymnasialzeit die Dinge mit sozialen Augen zu sehen, nicht überhören», schrieb Alt-Stadtarchivar Stefan Röllin in einem Rückblick. Während des 70. Zentralfestes 1912 gab die sogenannte Radikalenfrage viel zu diskutieren. Dabei wurde beschlossen, dass bei der Aufnahme von Kandidaten darauf zu achten sei, dass diese den katholischen Vereinsgrundsätzen «ergeben» seien und dieselben auch «praktisch bestätigen» würden. Eine gewisse Radikalisierung des katholischen Prinzips war ein Phänomen der damaligen Zeit.
«Sursee, die Vaterstadt der Attenhofer und Amberg, eines Nationalrats Beck-Leu und seines kräftigen Stammes, ist heimatlicher Boden für den Schweizerischen Studentenverein», schrieb der Chronist über das 86. Zentralfest 1929. Ein Zentralfest notabene, an dem der StV auch den Mediziner Chiung Kang Kong in seinen Reihen willkommen hiess, der die Grüsse der katholischen Akademiker Chinas übermittelte.
Am 106. Zentralfest 1950 stach nicht nur der junge einheimische Architekt Josef Suter mit seiner Brandrede hervor. Zu Diskussionen Anlass gab einmal mehr die katholische Universität Freiburg. Das katholische Prinzip sei auch bei der Auswahl der Professoren zu befolgen, wurde gefordert. Und wie der OK-Präsident des Zentralfests 1977, der heutige alt Nationalrat Theo Fischer, am Stamm des Amtsverbands Sursee jeweils genüsslich erzählte, sorgte 1950 Bundesrat Philipp Etter für Heiterkeit, indem er nachts – der Orientierung offenbar nicht mehr voll mächtig – im Haus des Stadtpräsidenten Julius Beck sein Zimmer verwechselte und ins (leere) Bett der Köchin kroch …
Unter dem OK-Präsidium des erwähnten Josef Suter geriet das 118. Zentralfest 1964 zu einem derartigen Erfolg, dass sich der damalige «Civitas»-Chronist zur Bemerkung hinreissen liess, dem Anlass müsse eigentlich ein «Dreissigster» folgen. Für einen ersten Akzent sorgte wiederum ein junger Brandredner: Beat Hess v/o Pranger, der 1988 selber als OK-Präsident walten sollte. Und für einen weiteren Höhepunkt sorgte Professor Hans Küng mit seiner Festpredigt.
Aufbruchsstimmung im Zeichen der Öffnung herrschte am 131. Zentralfest 1977: Mit überwältigendem Mehr nahmen die Aktiven eine Statutenänderung mit dem neuen, von den sogenannten «Reformverbindungen» eingebrachten Zweckparagrafen an, wonach fürderhin auch nicht katholische Studentinnen und Studenten in den StV aufgenommen werden konnten. Gleichzeitig wurde eine politische Kommission ins Leben gerufen – ein Zeichen dafür, dass der StV in Staat und Gesellschaft wieder aktiver werden wollte.
Wetterglück und eine herzliche Aufnahme durch die Surseer Bevölkerung – mittlerweile schwoll sie auf rund 8000 Einwohner an – wurden den etwa 3000 StVerinnen und StVern am 142. Zentralfest 1988 zuteil. Der wissenschaftliche Anlass wurde vom bekannten Raumfahrtexperten Bruno Stanek zum Thema «Wie viel Irrtum braucht der Mensch?» bestritten. «Nicht zu überhören waren bei den Reden und in den Versammlungen die Aufrufe zu mehr Dynamik und Engagement des Gesamtvereins wie der einzelnen Verbindungen», hielt Stefan Röllin 1999 in einem weiteren geschichtlichen Rückblick fest. 1988 gab es zudem ein spezielles Jubiläum zu feiern, waren es doch exakt 20 Jahre her, seit der StV im Zuge der 68er-Bewegung erstmals auch Frauen aufgenommen hatte.
Das 153. Zentralfest ging 1999 – im Jahr der ebenfalls durch einen StVer geleiteten Feierlichkeiten zum Jubiläum «700 Jahre Stadtrecht Sursee» – über die Bühne. Als OK-Präsident fungierte Hans Ambühl. Der wissenschaftliche Anlass war mit einer jungen und einer ehemaligen Luzerner Politikerin – Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold und alt Ständerätin Josi J. Meier – prominent besetzt.
2011 konnte OK-Präsident Rainer Jacquemai unter anderen Professor Hans Küng, Bundesrätin Doris Leuthard und Bischof Felix Gmür zum 165. Zentralfest willkommen heissen. Und Aktive wie Altherren behandelten an ihren Generalversammlungen mit der Vision «Quo vadis StV?» ein gewichtiges Traktandum. Die zwei intellektuellen Schwergewichte Hans Küng und Roger de Weck waren sich am WAC einig: «Mehr Gleichgewicht braucht die Schweiz.»
Und auch heuer wagt sich der StV an ein aktuelles Thema heran. Am wissenschaftlichen Anlass steht das Milizsystems der Schweiz zur Diskussion – zum Thema «Wehrpflicht vs. Service Citoyen: Das richtige Dienstmodell für die Zukunft des Schweizer Milizsystems». Das Eintretensreferat hält Korpskommandant Thomas Süssli, Chef der Armee. Anschliessend diskutieren Daniel Jositsch, Ständerat SP/ZH, Stefanie Heimgarnter, Nationalrätin SVP/AG, und Noémi Roten, Co-Präsidentin Service.Citoyen.ch. Die Leitung hat Dominik Feusi, Redaktion «Nebelspalter».
Der Amtsverband Sursee (AVS) ist der Trägerverein des Zentralfests Sursee. Ihm obliegt die Wahl des OK-Präsidenten. Er zählt ca. 140 StVerinnen und StVer. Der Zweck wird in §1 wie folgt umschrieben: «Der Amtsverband Sursee (AVS) vereinigt alle im ehemaligen Amt, dem heutigen Wahlkreis Sursee ansässigen Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins.» Und der Wortlaut des §2: «Der AVS sucht im geselligen Verkehr die Fühlungnahme und das gegenseitige Kennenlernen von Altherren und Aktiven zu fördern.»
In den folgenden Jahren wurde das Zentralfest des Schweizerischen Studentenvereins in Sursee durchgeführt: 1864, 1875, 1886, 1901, 1912, 1929, 1950, 1964, 1977, 1988, 1999, 2011 und heuer im 2022. Seit 1977 wird der 11-jährige Rhythmus angestrebt.
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