Auch auf dem Weg nach Rickenbach fahre ich vorbei an vielen Plakaten. «2x Nein zu den extremen Agrar-Initiativen» ist die Botschaft. Das war der sichtbare Startschuss zur Kampagne. Mittlerweile haben sie mit ihren Strohfiguren auf den Feldern die zweite Welle im Kampf gegen die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative eingeläutet. Am 13. Juni wird über beide Vorlagen abgestimmt.
Wenig später, auf dem Stierenberg, oberhalb des Dorfes Rickenbach, sitzt Bäuerin Priska Wismer am Küchentisch. In diesen Tagen ist sie omnipräsent, weibelt die «Mitte»-Nationalrätin doch intensiv für ein doppeltes Nein. Im «Zischtigsclub» von SRF und an Podien ist sie vertreten, selbst auf den familieneigenen Hof lädt sie Besucher ein, will ihnen ihre Botschaft hautnah rüberbringen.
Für Wismer hätten die Agrarinitiativen zwar ein gutes Ziel, nämlich die Trinkwasserqualität hochzuhalten. «Nur: Diese beiden Vorlagen sind dafür absolut ungeeignet. » Denn die Trinkwasserinitiative will, dass nur noch Bäuerinnen und Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pflanzenschutzmittel einsetzen und lediglich das auf dem eigenen Hof produzierte Futter an ihre Tiere verfüttern.
Gerade der zweite Punkt sei für Betriebe, die Hühner und Schweine halten, besonders einschneidend. «Das trifft auf Bio-Betriebe genauso zu wie auf alle anderen Bauernhöfe.» Die Mehrheit aller Hühner- und Schweinebetriebe dürfte dieses Kriterium nicht erfüllen können. «Was wiederum dazu führt, dass die inländische (Bio)-Eier- und Fleischproduktion stark zurückgeht und ausländische Produkte vermehrt den Weg in die Regale der Verkaufsläden finden», glaubt Wismer. Die neuen Vorschriften würden viele Existenzen gefährden und die einheimischen Produkte verteuern, führen die Gegner der Initiative ins Feld. Damit einher ginge eine grössere Auslandabhängigkeit, und der Einkaufstourismus nähme ebenfalls zu.
Die Trinkwasserinitiative überlässt es den Bauern, auf Direktzahlungen zu verzichten und stattdessen den Betrieb zu intensivieren. Heute beziehen 98 Prozent der Betriebe Direktzahlungen und sind daher verpflichtet, nach den Vorgaben des Ökologischen Leistungsnachweises zu produzieren. Priska Wismer mutmasst, dass die in diesem Rahmen angelegten Biodiversitätsförder-flächen durch den Ausstieg vieler Betriebe aus dem Direktzahlungssystem wieder verschwinden. «Die grosse Verliererin wäre die Natur.»
Weiter stört sich die Bäuerin daran, dass die Initiative vorgibt, den vorsorglichen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung verbieten zu wollen. «Dieser ist in der Schweiz schon längst nicht mehr gestattet. Der Einsatz ist nur bei kranken Tieren zugelassen und wurde seit 2008 um mehr als 50 Prozent gesenkt», so Wismer. Und dass die Befürworter der Initiative oft erwähnen, die Tiere, die mit Importfutter gefüttert würden, nicht mehr das Label «Schweizer Eier» oder «Schweizer Fleisch» verdienten, hält sie auch nicht für opportun. «Es gilt festzuhalten, dass 84 Prozent des Futters für unsere Tiere aus der Schweiz stammen. Mir ist es zudem viel lieber, wir importieren Futter als das fertige Produkt. So haben wir die Kontrolle über die Tierhaltung, den Einsatz von Medikamenten und die Verwertung des anfallenden Hofdüngers.»
Für die Umsetzung der Trinkwasservorlage sehen die Initianten eine Übergangsfrist von acht Jahren – bei der Pestizidinitiative wären es zehn Jahre – vor. Dieser Zeitstrahl ist für Wismer sehr problematisch. Sie sagt: «Wenn heute ein Bauer vor wenigen Jahren eine neue Scheune gebaut hat, kann er sie unmöglich über diese Dauer abschreiben.»
Die Pestizidinitiative will die Verwendung von synthetischen Pestiziden verbieten. Davon betroffen wären die Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion und die Lebensmittelverarbeitung, aber auch die Pflege von öffentlichen Grünanlagen, von privaten Gärten sowie der Schutz von Infrastrukturen wie Bahngeleisen und Sportplätzen. Nicht erlaubt wäre zudem der Import von Lebensmitteln, die im Ausland mithilfe von synthetischen Pestiziden hergestellt wurden oder solche enthalten. «Damit würde beispielsweise der Anbau von Raps, Zuckerrüben oder Kartoffeln praktisch verunmöglicht, und das Angebot von Tafelobst und Beeren würde reduziert», betont Wismer.
Jede Konsumentin, jeder Konsument habe es in den eigenen Händen, mit dem Einkaufsverhalten den «Bestellzettel» für die Produktion abzugeben und die naturnahe Produktion zu fördern, so die «Mitte»-Nationalrätin. Saisonale, regionale Produkte und bewusstes Essverhalten seien der richtige Weg. Zudem hätten National- und Ständerat einen Handlungsbedarf auch erkannt. Mit der Annahme der Parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» in der Frühlingssession «haben wir das Grundanliegen der Initiativen aufgenommen und bei diesem sensiblen und emotionalen Thema einen wichtigen Schritt gemacht», ist die Rickenbacher Bäuerin überzeugt.
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