Der Sempachersee macht einen lieblichen Eindruck. Das Wasser wirkt einigermassen sauber, im Sommer lädt er zum stundenlangen Baden ein, und Felchen aus dem See gelten als regionale Delikatesse. Doch tief unten, dem Auge des Betrachters verborgen, liegen abgestorbene Algen, die noch aus einer Zeit überbordendem Wachstums dieser Pflanzen stammen. Sie zeugen von einem massiv zu hohen Gehalt an Phosphor im Wasser, welcher schliesslich am 7. und 8. August 1984 zu einem grossen Fischsterben geführt hatte.
Kein Milieu für Laichplätze
Die wuchernden Algen hatten Giftstoffe freigesetzt und deren Abbau hatte dem See Sauerstoff entzogen. Noch heute fehlt ausreichender Sauerstoff am Boden des Sees wegen den Altlasten an Algen, die dort liegen. Deshalb finden Fische wie die Felchen auch nicht genügend Nahrung und Laichplätze für ihre Eier. Ansonsten attestiert Franz Stadelmann, Fachbereichsleiter Natürliche Ressourcen bei der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald (lawa), dem Sempachersee einen guten Zustand. «Man sieht dem Gewässer die Problematik auf dem Grund nicht an», erzählt Stadelmann. So fehle teilweise auch die Sensibilität für die Probleme, welche die Düngung auf bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen in den Zustrombereichen des Sees mit sich bringe.
Algenabbau verbraucht Sauerstoff
Weil die zu zersetzenden Algen auf dem Grund des Sees immer noch zu viel Sauerstoff verbrauchen und nach wie vor zu hohe Frachten an Phosphor in den See gelangen, stimmt das Gleichgewicht im Sempachersee nicht. Mit Massnahmen im See und im Zustrombereich des Gewässers will man seit Jahren dem Problem Herr werden. Für die seeinterne Belüftung ist der Gemeindeverband Sempachersee – Gunzwil, Hildisrieden, Neuenkirch, Nottwil, Oberkirch, Schenkon, Sempach und Sursee – zuständig. Man rechnet damit, dass noch 10 bis 20 Jahre Luft eingepumpt werden muss. Damit weniger Phosphor in den See gelangt, hat der Kanton Luzern mit Landwirten die sogenannten Seeverträge abgeschlossen. Aktuell machen rund 60 Prozent der direktzahlungsberechtigten Betriebe mit.
See wird weiter beatmet
In der warmen Jahreszeit ist die Schichtung des Wassers stabil: an der Oberfläche das warme, leichtere Wasser, unten das schwerere, kalte. Im Herbst und Winter, wenn Stürme das Wasser aufpeitschen und das nasse Element abkühlt, kommt die Zirkulation in Gang. Sauerstoffreiches, kaltes Wasser sinkt in die Tiefe. Wird es wieder wärmer, sänke der Sauerstoffgehalt noch immer regelmässig unter eine kritische Untergrenze von 4 Milligramm pro Liter Wasser, würden die Anrainergemeinden des Sees nicht seit Jahren mittels Diffusoren an der tiefsten Stelle zwischen Eich und Nottwil Sauerstoff, beziehungsweise Umgebungsluft pumpen. Im Winter ist es grobblasige Luft, um die Zirkulation zu unterstützten.
Projekt schon einmal verschoben
Noch immer läuft die zweite Phase des Phosphorprojekts, mit dem der Phosphoreintrag in den See im Griff gehalten werden soll. Aktuell gelangen noch immer durchschnittlich 5,5 Tonnen von diesem Stoff ins Gewässer. Doch eigentlich müsste schon längst das Phosphorprojekt III laufen, denn Ende 2018 wäre die zweite Phase ausgelaufen. Damals hatte der Kanton Luzern beim Bund eine Verlängerung um ein Jahr beantragt. Grund war eine Studie, mit der im Einzugbereich des Baldeggersees untersucht werden sollte, aus welchen Flächen wie viel Phosphor in den See fliesst. Weil die Resultate damals fehlten, wollte man mit dem neuen Projekt noch nicht starten.
Weniger düngern mit Phosphor
Mittlerweile ist klar, dass ein Grossteil der landwirtschaftlichen Flächen für den zu hohen Eintrag an Phosphor in den See verantwortlich ist. Die Resultate hat man im Frühling 2019 auch auf den Sempachersee heruntergebrochen und daraus das Phosphorprojekt III entwickelt. Es hat grundsätzlich zwei Hauptziele. Erstens soll die Düngung reduziert werden. Die Landwirte dürften demnach nur noch 90 Prozent des Phosphors, welche die Pflanzen benötigen, ausbringen. Hat ein Betrieb zu viel Gülle, muss diese weggeführt werden. Zweitens darf ein Landwirt den Tierbestand nicht aufstocken.
Bauern wurden «überrumpelt»
Für die Landwirtschaft hätte das Phosphorprojekt III einschneidende Auswirkungen, sagt der Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes, Jakob Lütolf. Er erwähnt insbesondere die Phosphorverordnung, die für alle Landwirte im Zustrombereich des Sempachersees eine reduzierte Phosphatdüngung vorsehe. «Das kann Landwirte, die Gülle wegführen müssen, vor organisatorische Probleme stellen.» Lütolf kritisiert vor allem die Kurzfristigkeit. Weil man letztmals im Sommer informiert worden sei, habe man irgendwann angenommen, dass es mit dem Phosphorprojekt III länger dauere. «Dann hiess es im November plötzlich, Anfang 2020 beginne die nächste Phase des Phosphorprojekts. Das hat die Landwirte überrumpelt», hält Jakob Lütolf fest. Es gelte, noch verschiedene Detailfragen zu klären.
Bei den Altlasten dranbleiben
Dafür hat Franz Stadelmann vom lawa Verständnis. Er sagt aber auch: «Es ist immer noch so, dass die Altlasten – und dazu zählen nicht nur die Algenreste auf dem Seegrund, sondern auch die mit Phosphor überversorgten Böden – den See belasten.» Erst wenn das ökologische Gleichgewicht im See auf natürliche Weise wieder erhalten werde, könne an das Ende der kostspieligen Belüftung des Sees gedacht werden, ruft Stadelmann zudem in Erinnerung.
Warten auf Bern
Kürzlich hat eine Aussprache zwischen Landwirtschaftsvertretern und dem Regierungsrat stattgefunden. Zurzeit prüfe der Kanton, beim Bundesamt für Landwirtschaft eine Verschiebung des Phosphorprojekts III um ein weiteres Jahr zu beantragen.Franz Stadelmann räumt ein, dass dies «ein Entgegenkommen an die Landwirte ist, die nun ein Jahr mehr Zeit erhalten sollen, entsprechende Massnahme auf ihrem Betrieb einzuleiten.» Gerade jene Landwirte, die bis jetzt noch keine Gülle haben wegführen müssen, sind nun gefordert, einen Abnehmer zu finden. «Dabei reicht es nicht, diese dem Nachbarn anzubieten», macht Franz Stadelmann deutlich. Von dort würde der Phosphor genauso in den Sempachersee geschwemmt. So bestehen auch für mögliche Abnehmer die Anforderung, dass im Zustrombereich des Sempachersees nur 90 Prozent des Pflanzenbedarfs mit Phosphor gedüngt werden darf.
«Bauern nicht auf die Füsse treten»
Berufsfischerei «Das hat einem wirklich das Herz abgedrückt», sagt Berufsfischer Andreas Hofer, angesprochen auf das grosse Fischsterben im Sempachersee 1984. Die Berufsfischerei habe damals einen grossen Schaden erlitten, sei aber nie entschädigt worden. Und die Fischer seien auch nie mit einbezogen werden, wenn es darum gegangen sei, Massnahmen zur Gesundung des Sees wie etwa das Phosphorprojekt auszuarbeiten. Dass nun das Phosphorprojekt III möglicherweise ein weiteres Jahr hinausgeschoben werde, sei für ihn ein Zeichen, dass man den Landwirten möglichst nicht auf die Füsse stehen wolle, kann der Berufsfischer eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen. Dabei sollte man endlich so handeln, dass der See endlich nachhaltig gesunden könne. Für Andreas Hofer wäre das einzige, was den See nachhaltig vor zu viel Phosphor bewahren könnte, eine Reduktion der Tierbestände.
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