Es sei quasi Homeoffice, wenn er in Sursee am wissenschaftlichen Anlass des Zentralfests des Schweizerischen Studentenvereins spreche, meinte Thomas Süssli, Chef der Armee, am Freitagabend im gut besetzten Bürgersaal des Rathauses. Der Korpskommandant wohnt nämlich in Oberkirch. Er hielt das Einführungsreferat zum öffentlichen Podium «Wehrpflicht vs. Service Citoyen: Das richtige Modell für die Zukunft des Schweizer Milizsystems». Süssli bezeichnete sich einleitend als «Kind des Milizsystems» und rühmte die Bottom-up-Kultur der Schweiz, wo viele in verschiedenen Bereichen Dienst täten ohne Entlöhnung und direkten Nutzen daraus.
Dann ging er ans Eingemachte: Mit Blick auf die «Vuca-Welt», eine Welt, die zusehends volatiler, unsicherer, komplexer und mehrdeutiger werde, konstatierte er: «Die offene, liberale Demokratiekultur löst sich auf.» Vor diesem Hintergrund werde es immer schwieriger, vorauszusehen, was kommen wird. Süssli nannte vier Bewegungen, welche die Welt gegenwärtig und in Zukunft umkrempeln: die Urbanisierung, die demografische Entwicklung, den Klimawandel und die vierte industrielle Revolution durch künstliche Intelligenz. Dies alles bringe für die Schweiz riesige Herausforderungen mit sich, so etwa in Bezug auf Migration, Umweltschäden oder Strommangellage. «Ohne Strom könnte unser Land drei bis vier Tage durchhalten, aber danach ginge es wohl in die Knie», redete Süssli Klartext. Mit dem Terrorismus sprach er ein weiteres Problemfeld an: «Die Schweiz war zum Glück nie ein primäres Ziel. Aber sie ist ein Teil der westlichen Gesellschaft und somit gefährdet.»
Der Cyberkrieg sei in aller Munde, aber – wie der Krieg in der Ukraine aktuell vor Augen führe – am Ende würden Konflikte immer noch am Boden ausgetragen, und dies vor allem in urbanen Gebieten, so Süssli. Damit leitete er über zur Schweizer Armee, die einen Soll-Bestand von 100’000 Eingeteilten aufweist. «Bei einer erhöhten Bedrohung müssten es aber 140’000 sein», rechnete der Korpskommandant vor. Er machte keinen Hehl aus seiner Überzeugung, dass eine Berufsarmee in der Schweiz gar nicht funktioniere. Sein Referat schloss er mit dem Appell, mit Herzblut für das Milizsystem einzustehen, und dies nicht nur in Bezug auf die Armee: «Das Milizsystem passt zu unserem Land und hat sich über Jahrzehnte bewährt.» Und mit einem kernigen Satz grenzte er die Milizarmee von der Berufsarmee ab: «Wenn man die Miliz braucht, ruft man sie und sie kommt. Wenn es sie nicht mehr braucht, dann geht sie wieder nach Hause.»
Im Mittelpunkt der anschliessenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Dominik Feusi, Redaktor «Nebelspalter», stand die Initiative für einen Bürgerdienst (Service Citoyen). Deren Stossrichtung zeigte die Co-Präsidentin des Initiativkomitees, Noémi Roten, auf: «Während in der Bundesverfassung lediglich die Wehrpflicht für Männer festgeschrieben ist, sollen neu alle Dienst für die Allgemeinheit leisten können, dürfen und müssen.» Ob denn der Einsatz in einer Kinderkrippe gleichwertig wie der Dienst eines Grenadiers sei, hakte Feusi nach. «Es wäre ein Beitrag an die nationale Kohäsion, wenn etwa die Pflege oder die Feuerwehr mit der Armee gleichgestellt würde», gab sich Roten überzeugt. Zudem würden auch Ausländerinnen und Ausländer in die Pflicht genommen.
Der Initiativtext töne grundsätzlich gut, denn auch sie befürworte das Milizsystem, meinte die Aargauer SVP-Nationalrätin Stefanie Heimgartner. Sie frage sich indessen, ob genügend Personen rekrutiert werden könnten, ohne dass es auf Kosten der Sicherheit gehe. Zudem drohe die Gefahr des «Jekami»: «Man sucht sich den ‘schönsten’ Dienst aus. Da fragt sich, wie gleichwertig diese Dienste dann noch sind.»
Er unterstütze die Initiative voll und ganz, bekannte der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch. Einerseits aus sicherheitspolitischen Überlegungen: «Ein Grossteil der Jugendlichen ist nicht bereit, Militärdienst zu leisten, was nicht zuletzt mit der geringen Wertschätzung zu tun hat, die diesem Dienst hierzulande entgegengebracht wird.» Andererseits schade es den Jugendlichen nicht, wenn alle die gleiche Verpflichtung hätten. Zudem mache ein solcher Bürgerdienst die Gesellschaft sozialer, betonte Jositsch: «Man muss ihr doch etwas zurückgeben. Einfach Steuern bezahlen reicht nicht.»
Sie habe Vertrauen in die Politik, dass sie kluge Instrumente für die Umsetzung der Initiative entwickle, sollte diese zustande kommen, so Roten. Gegenwärtig ist sie davon allerdings noch meilenweit entfernt: Bis dato kamen 7000 Unterschriften zusammen. Es müssten aber mehr als 20’000 sein, damit das Ziel realistisch ist. Dessen ungeachtet ist für die Co-Präsidentin der Hauptwert der Initiative, «dass sie das Thema Bürgerdienst anspricht, die Diskussion darüber lanciert und einen möglichen Lösungsweg aufzeigt». Sukkurs erhielt Roten in der Fragerunde aus dem Plenum von alt Ständerat Franz Wicki: «Ich bin den Initiantinnen und Initianten dankbar, dass dieses Thema endlich auf den Tisch kommt.»
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