Judith Schwander, Vorstand Palliativ Luzern und Geschäftsleiterin Spitex Sempach: Ja. Das Thema rückt ins Zentrum und wir können Menschen anregen, über die Endlichkeit des Lebens und das Sterben nachzudenken.
Bernhard Studer, Vizepräsident Palliativ Luzern und Hausarzt: Zudem möchten wir Laien und Profis dafür sensibilisieren, dass Palliative Care zur Grundversorgung gehört. Vor lauter weiterführenden Abklärungen und Therapien kann es soweit kommen, dass selbst mit schwerkranken Menschen nicht über den Tod gesprochen wird. Es ist jedoch wichtig, sich auf den Tod vorbereiten zu können.
Monika Tröger, Vorstand Palliativ Luzern und ärztliche Leiterin Viva Luzern: Manche Menschen möchten ihre Familie bei sich haben, wenn sie sterben. Andere können nicht aushalten, dass die Angehörigen so traurig sind und wollen allein sterben. Nur schon diese Tatsache zeigt, wie individuell Sterben ist. Für mich als Medizinerin bedeutet gutes Sterben eine ausreichende Symptomkontrolle und das Sterben so zu ermöglichen, wie es die Person wollte.
Judith Schwander: Gutes Sterben hat für mich viel mit Respekt zu tun. Dass ich beispielsweise annehmen kann, wenn jemand keine sedierenden oder schmerzlindernden Medikamente möchte. Das kann schon herausfordernd sein. Darum bin ich auch immer wieder gezwungen, über meine eigene Haltung nachzudenken.
Bernhard Studer: Viele Menschen werden älter und sind häufig länger krank. Eine Krebserkrankung ist heute oft eine chronische Krankheit. So entsteht zwar mehr Raum und Zeit, sich auf den Tod einzustellen. Doch der langsame Abschied kann lang werden, insbesondere auch, wenn wiederholt schwierige Entscheide zur Weiterbehandlung gefällt werden müssen. Dabei besteht die Gefahr, dass Patienten aus einem falschen Autonomieverständnis heraus alleingelassen werden. Viele Betroffene wünschen sich jedoch klare und transparente Entscheidungshilfen. Als Hausarzt versuche ich hier mit Rat und Tat zu unterstützen und begleiten.
Monika Tröger: Futility, also Übertherapie am Lebensende, ist ein grosses Thema. Durch die langen Phasen der Behandlung erlebe ich am Ende des Lebens oft extrem erschöpfte Menschen, die im wahrsten Sinn des Wortes lebens-müde sind.
Monika Tröger: Leider haben längst nicht alle Menschen denselben Zugang zu Palliativ Medizin, auch innerhalb unseres Kantons nicht.
Monika Tröger: So lässt es sich nicht pauschalisieren. Aber auf der Landschaft fehlt oft eine spezifische Palliativ-Spitexversorgung mit 24-Stunden-Dienst, damit Menschen in der letzten Lebensphase nicht ins Spital eingewiesen werden müssen, wenn es für sie nicht stimmt.
Judith Schwander: Die Stadt Luzern hat mit dem Brückendienst ein spezifisches Angebot geschaffen. Wir brauchen aber auch auf der Landschaft eine fachlich vergleichbare Basisversorgung, damit Menschen in einem für sie passenden Setting sterben können. Das bedeutet mehr Pflegepersonal mit vertiefter Weiterbildung, das Fachwissen und ein breiteres Repertoire bei Themen wie Symptombehandlung oder Umgang mit Angehörigen mitbringt. Dabei ist die Finanzierung entsprechender Weiterbildungen ein zentrales Thema. Hier kommt die Politik ins Spiel.
Bernhard Studer: Bezüglich mobilem Palliativ-Dienst haben wir von der Politik positive Signale erhalten. Mit der Annahme des teilrevidierten Gesundheitsgesetzes hat der Luzerner Kantonsrat vor einem Jahr die Grundlage für eine flächendeckende spezialisierte mobile Palliative-Care geschaffen. Wichtig ist aber auch, dass unsere Gesellschaft realisiert, wie wichtig diese Fragen sind. Das bedingt, dass wir über das Sterben sprechen. Diese Öffentlichkeitsarbeit zu leisten ist eine Aufgabe von Palliativ Luzern.
Monika Tröger: Sterben hängt von vielen Faktoren ab, die nicht vorhersehbar sind. Allerdings bedeutet es immer, bereit zu sein, Kontrolle abzugeben. Ich wünsche mir die Kraft, darauf zu vertrauen, dass es der richtige Weg ist – ob mein Leben nun bei einem Autounfall endet, aufgrund einer Tumorerkrankung oder einem anderen Szenarium.
Bernhard Studer: Ich hoffe, dass ich mich am Lebensende in jene Situation hineinschicken kann, die sein wird. Aus heutiger Perspektive möchte ich lieber nicht plötzlich sterben, sondern mich verabschieden können. Schon oft habe ich sehr berührende und trotz aller Traurigkeit sogar beglückende Situationen am Sterbebett erlebt. Selbst habe ich, zusammen mit meinen Geschwistern, das bewusste Abschiednehmen beim Sterben meiner betagten Eltern stimmig und tröstend erleben dürfen.
Judith Schwander: Ich möchte nicht in einer belastenden, schwierigen Lebensphase gehen müssen. Ich wünsche mir, dass ich in diesem Moment mit mir im Reinen bin. Und dass ich annehmen kann, dass das Leben endlich ist.
Anlass Palliativ Luzern lädt am 2. November, 18 bis 20 Uhr, zur öffentlichen Veranstaltung ein. Unter dem Titel «Gutes Sterben – gestern und heute» zeigt Referent Christian Ruch auf, wie sich das gesellschaftliche Verhältnis zu Sterben und Tod im Laufe der Zeit gewandelt hat. Anschliessend Podiumsdiskussion mit Experten aus den Bereichen Medizin, Pflege, Seelsorge und Sterbebegleitung. Türöffnung ist um 17.15 Uhr, Möglichkeit zur Besichtigung der Informations-Tische der Palliative-Care-Organisationen im Kanton Luzern.
Fussnote: «Gutes Sterben – gestern und heute», Dienstag, 2. November, 18 bis 20 Uhr, Der MaiHof, Weggismattstrasse 9, Luzern. Eintritt frei, ohne Anmeldung. Teilnahme nur mit Covid-Zertifikat und Ausweisdokument möglich. www.palliativ-luzern.ch (pd)
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